"Der Vater der Maus"

Doug Engelbart
im Gespräch mit
Andrew Maisel

  photo of Doug Engelbart

 

Viele Leute glauben irrtuemlich, dass die "Maus" von Apple erfunden worden ist. Andere glauben, Steve Jobs haette die Idee von Xerox gestohlen, wo die Maus auf einem fruehen Buero-PC, genannt "Star", benutzt wurde. Aber tatsaechlich wurde die Maus in den fruehen 60ern von Doug Engelbart entworfen - derzeit Wissenschaftler am Stanford Research Institute, in Menlo Park, Kalifornien. Andrew Maisel (SuperKids) traf Doug Engelbart in den Bueros seines gegenwaertigen Unternehmens.

 

Andrew Maisel: Woran hast du gearbeitet, als du die Idee zur Maus hattest? War ein besonderes Projekt geplant, um ein Input-Geraet fuer Computer zu entwickeln?

Doug Engelbart: Die Maus war nur ein kleines Stueckchen eines sehr viel groesseren Projekts mit dem Ziel der Erweiterung des menschlichen Verstandes.

Erweiterung des menschlichen Verstandes?

Ja. Ich habe immer daran geglaubt, dass die Komplexitaet der Probleme der Menscheit schneller waechst als unsere Faehigkeit, sie zu loesen. Deshalb schien es ein notwendiges und erstrebenswertes Ziel zu sein, Wege zu finden, unseren Verstand zu erweitern. Zur Zeit der Erfindung der Maus hatte ich schon laenger als ein Dutzend Jahre lang moegliche Wege erforscht, wie Leute ihre Faehigkeit, komplexe Probleme zu loesen, erhoehen koennen.

Wo kam in diesem Projekt das Beduerfnis nach einer Maus auf?

Wir stellten wir uns Problemloeser vor, die Computer-unterstuetzte Workstations benutzten, um ihre Leistung zu erhoehen. Sie verlangten die Faehigkeit mit Informations-Displays zu interagieren, indem sie eine Art von Geraet zur Bewegung auf dem Bildschirm [ein Cursor] benutzen. Damals waren mehrere Geraete in Gebrauch oder fuer den Gebrauch vorgesehen: der Light-Pen, Joysticks usw.

Warum hast du nicht einfach davon eines benutzt?

Wir haben nach dem besten Ausschau gehalten - dem effizientesten - Geraet. 1966 kamen wir an die NASA heran und sagten, “lasst sie uns testen” und die Antwort einfuerallemal finden. Mit Mitteln der NASA entwickelte das Team einen Set von einfachen Aufgaben und bildete eine Gruppe von Freiwilligen, um diese Aufgaben mit den verschiedenen Geraeten zu erledigen. Beispielsweise erzeugte der Computer ein Objekt an einer zufaelligen Position auf dem Bildschirm, der Cursor eines woanders. Wir massen, wieviel Zeit die Benutzer brauchten, um den Cursor zu dem Objekt zu bewegen. Es wurde schnell klar, dass die Maus alle anderen schlug. Geraete wie der Light-Pen brauchten einfach zu viel Zeit, wenn vom Benutzer wiederholt verlangt wurde, den Stift aufzunehmen und zum Bildschirm zu fuehren - sehr muehselig.

Das Papier, das Anfang 1967 von dir und Bill English veroeffentlicht wurde und diesen Test diskutierte, sprach auch von einem “Knie-kontrollierten” Geraet, das vielversprechend erschien ...

Dieses Gerat basierte auf meiner Beobachtung, dass der menschliche Fuss ein sehr empfindlicher Kontrolleur des Gaspedals in Autos ist. Mit geringer Muehe entdeckten wir, dass das Knie eine sogar noch bessere Kontrolle fuer leichte Bewegungen in alle Seiten bot. In Versuchen schlug es die Maus um einen kleinen Vorsprung.

War die NASA mit ihren Entdeckungen zufrieden?

Na ja, in Situationen der Schwerelosigkeit hatte die Maus das Problem, dass sie wegflog ...

Wie kam es dazu, dass du die Maus erfunden hast? Bist du einfach irgendwann aufgewacht und hast gesagt, "heute werde ich die Maus erfinden"?

Die tatsaechliche Erfindung der Maus war das Ergebnis von Analysen der verschiedenen Eigenschaften anderer Input/Output-Geraete. So wie die Periodentafel der Elemente Eigenschaften aufweist, die Gruppen anhand von Reihen und Spalten definieren, haben wir ein Tabellenraster der bestehenden Geraete entworfen. Und so wie die Gesetze der Periodentafel zur Entdeckung besonderer, bis dahin unbekannter Elemente gefuehrt haben, definierte dieses Raster unabdingbar die geforderten Eigenschaften eines Geraetes, dass nicht existierte. Dieses Geraet war die Maus.

Hast du diese erste Maus selbst gebaut?

Nein - das Hardware-Design machte ein Kollege namens Bill English. Bill war ein extrem effektiver Typ. Er hatte an einem anderen Laboratorium am SRI gearbeitet, und wir waren froh, dass er frei war, als dieses Projekt begann. Er scheute sich nicht, sich in alles Moegliche zu vertiefen. Spaeter trat uns Jeff Rulifson bei, der für einen grossen Sprung sorgte, fuer einen wirklichen Schritt nach vorn in der Verbesserung der Qualitaet der involvierten Software.

Wie kann man jene Maus mit heutigen Geraeten vergleichen?

Die Original-Maus hatte das Kabel an der Front, aber wir verlegten es schnell zu Rueckseite, um es aus dem Weg zu bekommen. Es war ein einfaches mechanisches Geraet mit zwei senkrecht montierten Scheiben am Boden. Man konnte die Maus neigen oder stossen, um perfekt gerade oder vertkale Linien zu ziehen. Oder man konnte die Maus anschieben und vom Tisch heben und dabei die Bewegung des Cursors beobachten, waehrend die Scheiben sich drehten. Die meisten Maeuse von heute sind immer noch mechanisch und haben den Originalentwurf durch Einbau eines Balls modifiziert, dessen Bewegungen von zwei rechtwinklig angebrachten Scheiben verfolgt werden.

the original mouse
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Wer praegte den Namen "Maus"?

[Gelaechter] Keiner kann sich daran erinnern. Das Ding sah halt aus wie eine Maus mit einem Schwanz, und im Labor nannten wir sie alle so.

Habt ihr alle in dem Ding eine zukuenftig allgemeine Computerkomponente gesehen?

Ja!

Meinst du, dass die Maus so verbreitet bleibt, wie sie es heute ist, oder wird sie durch etwas anderes abgeloest werden, vielleicht Trackballs, Touchscreens oder Stimmerkennung?

Gegenwaertig sehe ich nichts, das die Maus an Effektivitaet schlagen koennte. Aber wer weiss? Als die ersten Touchscreens herauskamen, lachten wir alle, denn wir wussten, dass sie bei allgemeinen Aufgaben an den gleichen Problemen litten wie Light-Pens - sie verlangen eben zu viel verschwendete Bewegung vom Benutzer. Stimmerkennung? Ich sehe nicht, wie man ein Objekt mittels Stimmerkennung effektiv ueber den Bildschirm bewegen koennte. Wie wuerde das gehen; wuerde man sagen “ein Pixel nach oben und dann zwei Pixel nach rechts”?

Hast du das Ding patentieren lassen und bist fabelhaft wohlhabend geworden?

SRI hat es patentieren lassen, aber tatsaechlich hatten sie keine Ahnung von seinem Wert. Einige Jahre spaeter habe ich begriffen, dass sie es fuer eine Summe um 40.000 Dollar herum an Apple lizensiert haben.

Ouch!

 

 

Was fuehrte dich dazu, an dem Projekt am SRI zur Erweiterung des menschlichen Verstandes zu arbeiten?

1951 war ich Elektroingenieur an den Ames Laboratories [Bemerkung des Herausgebers: heute NASA Ames in Sunnyvale, Kalifornien]. Ich hatte eine Anzahl von Artikeln ueber das Potential von Computern gelesen - wie Vannevar Bushs Aufsatz im Atlantic Monthly ueber ein PC-Geraet, dass er “memex” nannte, und ein Buch mit dem Titel “Giant Brains,” und es schien, als eroeffneten sie einen ganz neuen Weg der Arbeitskenntnisse. Also nach einigen Monaten des Nachdenkens entschied ich, dass sie einen Hoehepunkt bedeuten wuerden.

Hast du 1951 bei Ames mit Computern gearbeitet?

Nein! Der naechste Comtuter war irgendwo an der Ostkueste.
Ich verliess Ames um die Universitaet von Kalifornien zu besuchen und erhielt dort den Ph.D. und lehrte dort fuer ein Jahr. Aber du kannst dir vorstellen, wie meine Ideen zur Erweiterung des menschlichen Verstandes 1960 aufgenommen wurden! [lacht]. Einer meiner Kollegen an der Fakultaet in Kalifornien nahm mich zur Seite und sagte,"mein Sohn, das Fortkommen in akademischen Institutionen basiert auf "peer inputs". Die Leute ziehen immer die vor, die ihre Ansichten teilen. Wenn du auf deinem eingeschlagenen Weg bleibst, wirst du dein Leben lang Lehrbeauftragter bleiben."
So nahme ich Kontakt zum Dekan der "School of Engineering" in Stanford auf, gerade gegenueber der Bucht von Berkeley, und erhielt einen netten Brief, der so etwas sagte wie: “Lieber Dr. Engelbart. Danke fuer ihr Interesse an Stanford. Ungluecklicherweise ist unsere "School of Engineering" eine kleine Abteilung, und wir haben uns entschieden, uns nur auf die Gebiete zu konzentrieren, von denen wir meinen, dass sie ein wirkliches Potential enthalten. Weil Computer nur im Dienstleistungsbereich brauchbar sind, haben wir kein Interesse daran, sie zu einem Schwerpunkt zu machen. Viel Glueck usw.”

Wow - Ich kann nicht glauben, dass sie so kurzsichtig waren! Es ist schwer zu glauben, dass eine Institution, die so eng mit der Geburt des Silicon Valleys verbunden ist, das verpasst hat...

Sie waren nicht allein! Ich habe auch mit David Packard (von Hewlett-Packard) gesprochen. Wir hatten eine grossartige Unterhaltung und ich freundete mich mit dem Gedanken an, fuer sie zu arbeiten. Als ich dann von dem Gespraech nach Hause fuhr, draengte sich mir eine Frage auf. Nach etwa einem Viertel des Heimwegs hielt ich an und rief den Vizepraesidenten fuer Maschinenbau bei HP, fuer den ich arbeiten wuerde, an und fragte, "ich vermute, HP beabsichtigt, bei den digitalen Instrumenten und digitalen Rechnern einzusteigen, und ich werde eine Chance haben, auf diesem Gebiet zu arbeiten?" Und er antwortete, dass sie nicht denken wuerden, dass dort viel Potential liege, also war die Antwort "nein".

Schließlich endete ich am Stanford Research Institute, wo mir fuer viele Jahre ermoeglicht wurde, mein Ziel der Entwicklung von Systemen zur Erweiterung des menschlichen Verstandes zu verfolgen. Ende 1968 hatten wir nicht nur die Maus entwickelt, sondern auch solche Dinge wie Hypertext, dynamisches "On-screen-Editing" und "Video-Conferencing".





© of this interview by SuperKids Software Review
Mit freundlicher Genehmigung von Andrew Maisel.



© WWW, deutsche Übersetzung 1997: Eckhard Hammel, www.CultD.net | Impressum