In den letzten Monaten vor seinem Tod fand Dietmar Kamper im Aufzeichnen seiner Träume, der Arbeit seiner Einbildungskraft, eine Möglichkeit, sich mit der Unvorstellbarkeit des eigenen Todes auseinanderzusetzen. Das Buch stellt eine Auswahl der Aufzeichnungen aus jener Zeit vor, die er selbst „Warten auf den Schmerz” nannte.
Roman Herzog
Dietmar Kamper: Traumbuch. Träumen als Einbildungskraft
SWR2 BUCH DER WOCHE AM 28.01.2013, Buchkritik im Forum Buch vom 27. Januar 2013
(...) Dietmar Kamper nutzt das Aufschreiben und Kommentieren seiner Träume, um uns Bericht zu erstatten über uns und die Welt. Die tendenzielle Verschlossenheit seiner Texte kann dabei vom Leser und von der Leserin nur dann durchbrochen werden, wenn sie aufgeben, nach einem logischen Schlüssel zu suchen, die Träume also nicht wie Freud als deutungswillig begreifen und enträtseln wollen. Ein derartiges Ansinnen wird keinen Zugang eröffnen, sondern nur immer weiter wegführen von dem, was uns diese Texte in ihrer ganzen Poesie geben können. Denn Kampers Träumen liegen keine Gedanken zugrunde, seinen Gedanken liegen Träume zugrunde, im Versuch, träumend zu denken und davon Zeugnis abzulegen. Die Leser sind also aufgefordert, sich fallen und treiben zu lassen in diesen Texten voller Assoziationen und Exzentrik, und so teilzunehmen an der Wanderung einer Seele auf dem Weg des Sterbens, ohne jegliche Theatralik, Eitelkeit oder Verklärung.
Dass Kampers Traumbeschreibungen und Gedanken sich dabei gleichzeitig der maschinengemachten Virtualität entgegensetzen, sie quasi leer laufen lassen, das merken Leser und Leserin vielleicht erst hinterher. Denn nichts hatte der Autor derart früh und scharf kritisiert, als dass die aufkommende Virtualität alle Lebensbereiche des Menschen erfassen und jegliche Wirklichkeit in ihnen auslöschen werde. In den elf Jahren seit Kampers Tod ist dieser von ihm bezeichnete Irrweg, diese Erstarrung der Welt rasend vorangeschritten. Deshalb bleibt zu hoffen, dass neugierige Menschen sich diesem Büchlein widmen und versuchen, Tuchfühlung aufzunehmen mit einer Welt vor der virtuellen Transformation. Das ganze Potential dieses Denkens liegt vor uns, um uns mitzureißen und eine Ahnung zu bekommen, vielleicht sogar einen Zugang, zu einem Körper‐Denken, das womöglich genau den Leerlauf transzendieren kann, der heute maßgeblich ist. (...)