Dietmar Kamper
Nachgedanken zu Silvia Breitwiesers These, daß Jan Fabre
keine Bilder macht, sondern daß der Ort, wo er arbeitet,
die Haut des Körpers, die Oberfläche der Außen- und
Innenräume sei...
In den Werken Jan Fabres hört die Bildhaftigkeit der Welt auf. Die Landkarten einer ternären Symbolik sind durchlässig geworden für den Stoff, den sie verdecken. Doch auch das duale Prinzip, die Zweideutigkeit des Imaginären wird attackiert durch ein Aufsprengen der Immanenz, der gewünschten Einheit. Das Eine zeigt nun immer das Andere, die Lust die Angst, das Dasein das Wegsein. So ist Fabre nahe herangekommen an das, was sich nicht verneinen läßt, was kein Gegenteil hat. Das kann er nur in der Selbstvergessenheit, in der sich das Subjekt als unterworfenes Machtzentrum zu Gunsten seiner Sterblichkeit aufgibt. Die Einheit als Versuchung wird mit aktiver Passion unterboten - bewußte und gewollte Selbsttäuschung als Moment anonymer Illusion. Bewußtsein und Wille sind der Film, Wahrnehmung beginnt im Filmriß. Die Arbeit an der Oberfläche der Außen-und Innenräume, bei der es zu Verletzungen der Haut des Körpers kommt, macht das Bildhafte im Sinne einer Vorstellung des wollenden Subjekts ebenso zunichte wie die Hoffnung auf Versöhnung in einer Welt, die ihre Zeichenordnung symbolisch organisiert. Fabres Wahrnehmung ist demgegenüber "diabolisch": sie reißt auf, sie geht unter die Haut, sie ist nah am Objekt, zu nah, um theoretisch sein zu können. Der Aufstand gegen die Macht der Zeichen und der Widerstand gegen den Sog der Bilder zwingen zum Auslöschen der Kraft der Bezeichnung. Das geschieht mit Kraft, wie immer bei fundamentalen Brechungen, Spaltungen, Trennungen. Auf den Bildflächen, Bildschirmen, Bildhäuten verschwindet der Zeichner. Jan Fabre arbeitet sein Fehlen heraus. Deshalb entspricht ihm ein unverständlicher Text, dessen Autor sich schreibend vom Schreiben verabschiedet.
Hannover, 19.2.1992
Anmerkung E.H.:
Bislang unveröffentlichter Text, aufgefunden in der Bibliothek Dietmar Kampers. Übergeben von Silvia Klara Breitwieser am 14.03.2012.