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dietmar kamper

Philosoph · Kulturanthropologe · Soziologe · ...

Dietmar Kamper: SpielBilder

Über die SpielBilder von Michael Buckler [Auszug]

„Ich habe daran gedacht, ein Bild zu malen, das eine Art Falle ist...“ schrieb René Magritte. Der Grafiker Michael Buckler hat einen Teil dieser Idee verwirklicht. Seine SpielBilder laden die Hände zum Greifen und die Augen zum Begreifen ein.

Zuerst möchte man darüberhinwegsehen. Sie springen nicht gleich ins Auge: die SpielBilder von Michael Buckler. Man wittert die Mühe, die man mit dem „Modernen“ in der Kunst hat. Dann kommt von irgendwo der Zuruf: die Figuren der Bilder sind beweglich, man kann mit ihnen spielen! - was ein zaghaftes Probieren auslöst, ein Ver schieben, Vertauschen, Verwechseln der Elemen te. Aber man bleibt noch im Bild, kostet vielleicht die Macht der puren Verkehrung aus: Mann im Kopfstand auf einer Blattspitze, Frau permanent vom Stuhl stürzend, Balance eines Tellers auf einem Apfel und so fort. Der Rückfrage schließt man sich an: darf man auch von einem Bild zum anderen...? Wenn man es versucht, passieren einem in kurzer Zeit derart verwirrende Kombinationen in so großer Zahl (zum Beispiel Mann im Teller auf dem Stuhl der Frau oder Apfel im Rahmen am Ende des Weges oder Frau mit Zollstock über Teller schwebend), daß man in der Verwirrung das Spiel erst einmal aufgibt, um - möglicherweise - über seine Regeln nachzudenken. Die Möglichkeit des Eingriffs setzt den Anfang. Der Künstler hat auf die Fertigstellung des Bildes verzichtet. Das letzte Stück Wegs zum fertigen Bild kann (und soll) der Betrachter selbst - und zwar spielend - zurücklegen. Die Spielprobe macht Spaß. Die Hand kann das Auge verwirren. Das Auge im Vorgriff ermuntert die Hand zu immer neuen Streichen. Noch hat man die Ambivalenz von eigener Macht und resultierender „Verrücktheit“ der Bilder einigermaßen im Griff. Aber die schlagartige Erweiterung des Spielfeldes auf drei Bilder erzeugt Schwindel. Die augen-scheinlich unerschöpflichen Kombinationsmöglichkeiten ermüden den Spieler. Das letzte Stück der Fertigstellung dehnt sich zu einer schlechten Unendlichkeit. Das kann dazu führen, daß man das Spiel aufgibt. Vielleicht aber ergibt sich dem ein oder anderen die Chance, in analytischer Nüchternheit zu prüfen, wie die Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten des Spiels mit den Bildern beschaffen sind.

Ästhetischer Kontext. Die SpielBilder von Michael Buckler stellen drei verschiedene Modalitäten des von Menschen erfahrenen Raumes (Außenraum, Innenraum, Dingraum) mit jeweils drei Figuren zusammen, die in diesem Raum frei beweglich sind. Zum Außenraum (= Landschaft) „gehören“ ein Mann, ein Blatt, ein Würfel; zum Innenraum (= Zimmer) eine Frau, ein Stuhl, ein Rahmen; zum Dingraum (= Tischtuch) ein Apfel, ein Teller, ein Zollstock... [mehr]

Anmerkung E.H.: Der Aufsatz ist zunächst erschienen in psychologie heute, Beltz Verlag, 4. Jhrg., 1977, Heft 12, S. 68-74, dann in www.art-meets-science.com. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Michael Buckler.

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