Einleitung"Demut gebietend und
erhebend zugleich, kaum etwas in der Natur flößt uns soviel Ehrfurcht ein wie
der Anblick von Bergen."[1] Mit diesen Worten beginnt Kofi A. Annan,
Generalsekretär der UNO, seine Botschaft zum 'Jahr der Berge 2002’, und ein
paar Zeilen später heißt es: "Die UNO hat das Jahr 2002 zum Internationalen
Jahr der Berge erklärt, um damit das Bewusstsein für das Ökosystem Berge zu
stärken, das Kulturerbe der Bergvölker zu pflegen und die Bewahrung und
nachhaltige Entwicklung der Gebirgsregionen zu fördern."[2] Der 'Mythos Berg’ scheint so alt wie die Menschheit selbst, denn in vielen alten Kulturen wird der Berg zu einem der ewigen Symbole, die in allen Schöpfungs-, Bildungs- und Entwicklungsgeschichten der Welt die Verbindung zwischen Himmel und Erde herstellen, zum lebendigen, verehrten Individuum, zum rächenden Dämon, dem kein Frevler entkommt[3]. Diese Personifikation
'Berg’ wird später zum Sitz der Götter, zur Feuer- und zur Opferstätte, denn
nirgends ist der Mensch dem Himmel näher wie auf einem Berg, dort, wo Erde und
Himmel sich zu berühren scheinen. "Ob die Berge nun schön, erhaben, unantastbar, gar heilig oder alles zugleich sind, vor denen wir uns ehrerbietig auf Distanz zu halten hätten [...]"[4], kann hier nicht beantwortet werden, wohl aber, dass der ästhetische Eindruck nicht nur auf der Form, sondern vor allem auf dem "Größenmaß, in dem sich der Eindruck bietet"[5], beruht. "Wir fühlen hier das Irdische als solches in seiner ungeheuren Wucht, das noch ganz fern von allem Leben und Eigenbedeutung der Form ist"[6], schreibt Georg Simmel, und weiter: "[D]as Meer wirkt durch Einfühlung des Lebens, die Alpen durch Abstraktion vom Leben"[7]. Diese Abstraktion vom Leben, die Relativierung des Menschen durch die Wucht und Größe der Bergwelt, birgt für den Menschen seit jeher eine Faszination, der sich die Literaten des 19. und 20. Jahrhunderts nicht entziehen konnten. Im Anschluss findet sich zunächst eine Klärung der wichtigsten Begriffe, die in dieser Arbeit verwendet werden. Dem folgt ein kurzer geschichtlicher Abriss - teilweise bis ins 20. Jahrhundert - über die Symbolik der Berge in Religion und Geschichte. Anschließend werden in dreizehn Kapiteln ausgewählte Werke zum Thema Berge und Bergsteiger in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts - unabhängig, ob Trivial- oder Weltliteratur, ob politische Propaganda oder Sachbuch - untersucht. Der Analyse der jeweiligen Überzeugungssysteme (die Definition des Begriffs findet sich in Kapitel 2.5 dieser Arbeit) der einzelnen Autoren wird eine Hypothese zum entsprechenden Text vorangestellt. Die Arbeit endet mit einem Fazit der betrachteten Werke.
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[1] Annan, Kofi A.: Introduction to Berge (Mountains) Magazine January Issue - Dedicatet to the United Nations International Year of Mountains (2002). In: Berge. Das internationale Magazin der Bergwelt 1 (2002), S. 3, folgend zitiert als: Annan: Berge 2002 [2] Annan: Berge 2002, S. 3 [3] Pertl, Ernst / Laner, Bruno: Sagenhafte Bergwelt. 2. Auflage Bozen 1977, S. 7, folgend zitiert als: Pertl: Sagenhafte Bergwelt 1977 [4] Pöder, Willy: Mit der Kuh geht auch der Gast! In: PZ. Pustertaler Zeitung 21 (2002) [5] Simmel, Georg: Die Alpen. In: Simmel, Georg: Philosophische Kultur. Über das Abenteuer, die Geschlechter und die Krise der Moderne. Gesammelte Essais. Berlin 1986, S. 125, folgend zitiert als: Simmel: Die Alpen 1986 [6] Simmel: Die Alpen 1986, S. 126 [7] Simmel: Die Alpen 1986, S. 128 |