[zurück]

2. Begriffsdefinitionen

Um Missverständnissen vorzubeugen, scheint es angebracht, einige Begriffe, die im Laufe dieser Arbeit regelmäßig verwendet werden, genau zu definieren.

2.1 Bergsteiger bzw. Bergsteigen

Unter Bergsteigen wird nachfolgend die ‚Bewegung in den Bergen’, als Bergsteiger derjenige, der diese Bewegung vollführt, verstanden. Daraus ergibt sich, dass in dieser Arbeit kein Unterschied zwischen Gletschertouren, Klettern, Trekking, Bergwanderungen und der Jägerei oder zwischen Touren in den Alpen, in Amerika oder im Himalaja gemacht wird. Da es, wie gesagt, um die Bewegung geht, sind Höhe und geographische Lage der Berge für diese Arbeit uninteressant.

2.2 Berge bzw. Bergwelt

In allen ausgewählten Werken bilden Landschaften bzw. Berge ein tragendes Element der Handlung. Die Berge können dabei ein Schlüssel zum Verständnis der Natur, Orte der Reinheit, der Abgeschiedenheit, der Verbindung zwischen den Menschen, der Selbsterkenntnis usw. sein, andererseits aber auch symbolisch aufgeladen sein, etwa als Verkörperung politischer Ideale. Auch hier kommt es weder auf die geographische Lage noch auf die Höhe der Berge an.

2.3 Intertextuelle Bezüge

Intertextualität wird hier als „deskriptiver Oberbegriff für herkömmliche Bezugsformen von Texten verstanden“[1], der die „intentionale und spezifische Anspielung eines Autors auf das Werk eines anderen“[2] bezeichnet. Es geht demnach um die vom Autor festgelegten Text-Text-Bezüge.

2.4 Mythos

Der Sprachempfehlung Tepes folgend, „den Ausdruck ’Mythos’ nie ungeklärt“[3] zu verwenden, wird der Begriff ‚Mythos’ auf folgende drei Bedeutungen eingeschränkt:

  • Typ a: Texte, die mythische Erzählungen oder Elemente aus solchen Erzählungen verarbeiten.
  • Typ b: Texte, die Strukturen mythischen Denkens oder Elemente dieser Denkformen verarbeiten.
  • Typ c: Texte, die Mythostheorien oder Elemente aus ihnen verarbeiten. [4]

So fallen etwa die griechische Mythologie oder Erzählungen um Alexander den Großen unter Typ a, mythisch-religiöse Vorstellungen wie der Heilige Berg Kailash in Tibet unter Typ b, während unter Typ c die Aussage aus Peter Roseggers Die Schriften des Waldschulmeisters (1875): „Aber sie glauben es und so ist es ihnen so viel als wahr“[5] fällt, die an die Mythostheorie Ernst Cassirers erinnert, die Tepe mit den Worten: „Alles, was wirksam ist, ist gleichartiger Teil ein und desselben Seins“[6] zusammenfasst. Generell können die Aussagen des Typs c auf die Formel ‚real ist, was real scheint’ reduziert werden.

2.5 Überzeugungssystem

Der Begriff des Überzeugungssystems ist dem Buch Peter Tepes Mythos und Literatur. Aufbau einer literaturwissenschaftlichen Mythosforschung (2001) entlehnt. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass ein Mensch sich „in allen Kulturen immer innerhalb irgend welcher Weltauffassungsstrukturen“[7] befindet und bewegt. Bei allem, was wir tun, sind wir durch diese „Überzeugungen bzw. Annahmen gesteuert“, die sich zwischen „Individuen, Gruppen, Gesellschaften, Kulturen sehr unterschiedlich“ zeigen, wenngleich es doch bestimmte Gemeinsamkeiten bzw. Grundmuster gibt, die auf alle zutreffen, etwa ein „Denksystem“, hinter dem sich Annahmen über die Welt – im Großen oder im Kleinen – verbergen, und ein „Wertesystem“, das aus Annahmen über das, was erstrebenswert bzw. nicht erstrebenswert, was wertvoll oder wertlos ist, besteht. Daraus ergibt sich „so etwas wie ein Überzeugungssystem“, das in sich jedoch nicht stimmig sein muss, sondern „Inkohärenzen, Brüche, Widersprüche“ aufweisen kann. So kann hier nicht nur von einem Überzeugungssystem gesprochen werden, sondern von einem ‚Gewebe von Überzeugungssystemen’, in das der Mensch wie in einen Teppich eingewoben ist und aus dem er nicht herauskann. Das Individuum kann sich zwar von einem Faden zum anderen schwingen, nicht jedoch den Teppich verlassen.

Knotenpunkte, wo diese Fäden zusammenlaufen, können als menschliche Schnittpunkte von Überzeugungssystemen betrachtet werden, wo sich neben profanen auch religiöse Überzeugungssysteme finden, wo das eine in das andere überläuft, wo sich innerhalb der Systeme noch weitere Zergliederungen und Zerfaserungen finden usw. So kann „aus einem Saulus ein Paulus werden“[8], doch nur innerhalb des Teppichs.

Das Aufspüren solcher Überzeugungssysteme in den nachfolgenden Werken diverser Autoren, in denen Berge bzw. Bergsteiger vorkommen, ist somit ein Ziel dieser Arbeit.

 


[1] Nünnig, Ansgar (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze - Personen - Grundbegriffe. 2. überarb. und erw. Auflage Stuttgart 2001, S 287, folgend zitiert als Nünnig: Literatur- und Kulturtheorie 2001

[2] Nünnig: Literatur- und Kulturtheorie 2001, S. 287          

[3] Tepe, Peter: Mythos & Literatur. Aufbau einer literaturwissenschaftlichen Mythosforschung. Würzburg 2001, S. 69, folgend zitiert als Tepe: Mythos & Literatur 2001

[4] Tepe: Mythos & Literatur 2001, S. 80

[5] Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. In: Rosegger, Hans Ludwig (Hrsg.): Peter Roseggers Werke. Gedenkausgabe. Auswahl in sechs Bänden. Leipzig 1928, S. 73, folgend zitiert als Rosegger: Waldschulmeister 1928

[6] Tepe, Peter / May, Helge: Cassirers Theorie des mythischen Denkens. In: Tepe, Peter / Küppers, Markus: Mythologica, Bd. 3, Essen 1995, S. 180

[7] Tepe: Mythos & Literatur 2001, S. 118

[8] Tepe: Mythos & Literatur 2001, S. 119


[zurück]