2 Geistesgeschichte

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2.09 Abgrenzung

1. Die Geistesgeschichte richtet sich gegen die Übertragung naturwissenschaftlicher Erkenntnisprinzipien auf die Geisteswissenschaften. (Gutzen, 164)

2. Man setzte sich ab gegen die vorwiegend analytisch erscheinende Auffassungsweise des Positivismus. Dort wurde ein Ganzes, der Lebens- oder Werkzusammenhang zerlegt, sie waren Ausgangspunkt, während sie nun Ziel jeder Untersuchung zu sein haben. (Maren-Griesebach, 24f.)

3. Dem positivistischen Verfahren ‘beschreiben und dann erklären’ wird das Verstehen auf der Basis des Erlebens entgegengestellt. Die Methode ist anti-kausal und antibiographisch. Entgegen der positivistischen Art, literarische Werke erklären und herleiten zu können, setzte man die These von der Irreduzibilität.

Indem die freiheitlich schaffende Phantasie bei den Untersuchungen mit zu durchleuchten war,

wurde die kausaliter fortschreitende Kette vom Biographischen zum Werk gelöst. Durch das dichterisch manifestierte Erlebnis wurden Leben und Werk zwei getrennte Ebenen. (Maren-Griesebach, 29)

4. Das von den Naturwissenschaften übernommene Erkennen als rationaler Denkablauf wird zusammen mit dem Erklären aus Biographischem als unzureichend erachtet. Verstehen statt bloßem Erkennen ist notwendig, da das literarische Werk im Ganzen als ein transrationales Gebilde erscheint. Als Grundlage für dieses Verstehen dienen Erlebnis und Einfühlung. (Maren-Grisebach, 29f.)

5. Positivistisches Denken                                          

Denken, das die Literatur schafft

Wirklichkeit, die der Literatur vorausgeht

Geschichtliche Tatsachen                          

Immanenz, die Literatur als Teil des Diesseits bestimmt                                      

Erfahrung des Gegebenen                           

Notwendigkeit und Kausalität, die Literatur determinieren 

Geistesgeschichtlich-idealistisches Denken

Sein, das sich in Literatur spiegelt

 Idee, die in der Literatur erscheint

Überzeitliches Wesen

Transzendenz, die Literatur als Metaphysikum bestimmt

Geist als Schöpferisches

Freiheit, die Literatur autonom sein läßt

(Maren-Grisebach, 28)

6. Die Geistesgeschichte lehnt es ab, äußere Merkmale aus der Literaturgeschichte anzuhäufen, um in ihnen statistische Gesetze und kausale Beziehungen zu suchen. Statt dieser an die nomothetischen (Gesetze formulierenden) Naturwissenschaften angelehnten streng methodischen Verfahren richtet sie ihr ideographisches (Ideen nachzeichnendes) Interesse auf die geistigen Zusammenhänge, die sie hinter diesen äußeren Ereignissen vermutet. Die Dichterbiographie wird als Erkenntnisweg zu den Werken zurückgewiesen, die Bedeutung der Textedition relativiert. (Baasner, 53)

7. Die Geistesgeschichte fordert Leistungen ein, die der Positivismus aufgrund seiner theoretischen Vorannahmen nicht erbringen kann. Für ihn erweist sich zum Beispiel zunehmend als Problem, daß er die Einzigartigkeit literarischer Werke weder zu erkennen noch zu begründen oder zu erklären vermag. Gerade das sich aller Kausalerklärung entziehende Genie galt aber seit jeher als Inbegriff der dichterischen Begabung. Die positivistische Arbeitsweise musste deshalb die Antwort schuldig bleiben auf die bildungsbürgerliche Frage, worin die Größe und Bedeutung einzelner kanonisierter Werke bestünde und wie sie zustandekäme. (Baasner, 54)

8. In der Geschichtsbetrachtung grenzt man sich von den Positivisten mit ihrem an Materialismus grenzenden Geschichtsbezug ab und betont die ideellen Faktoren. (Maren-Grisebach, 26)

9. Oskar Walzel warnt, „nicht vom Geistigen und dessen Gesetzen sich weglocken zu lassen in die Welt naturwissenschaftlicher Verknüpfung von Ursache und Folge“. (Walzel 1957, 9) (Baasner, 62)

10. Die Positivisten erscheinen als bloße Kleinlichkeitskrämer. Nicht die Vollständigkeit des Stoffes, sondern die subjektive Kühnheit der Ideen gilt als das höchste wissenschaftliche Ideal. An die Stelle rein genetischer Betrachtungsweisen, nach denen sich jedes Kunstwerk nur aus seiner vielfältig determinierten zeitgeschichtlichen Herkunft erklären lässt, tritt eine allgemeine Renaissance philosophischer, weltanschaulicher oder rein formalistischer Deutungsversuche, die sich lediglich mit dem ‘Geistentsprungenen’ beschäftigen, das von allen empirisch zu überprüfenden Voraussetzungen unabhängig ist.(Hermand, 28ff.)


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