3.04 Verdienste
1. Man hat die Vision der romantischen Hermeneutik häufig
in dem Satz zusammengefasst, es gelte, sich in den Autor hineinzuversetzen. Am
besten wird man diesem anstößigen Satz gerecht, wenn man ihn als Anleitung zu
einer regelgeleiteten Reflexion auf den individuellen Stil eines Autors
versteht. (Japp, 586) 2. (Zu Schleiermacher:) Seine Unterscheidung zwischen
einer laxeren und einer strengeren Praxis kann auch heute noch als eine
ausgezeichnete Einführung in die allgemeine Hermeneutik gelten. (Japp, 588) 3. Hermeneutische Sinnentwürfe eines Ganzen sind
einerseits riskant, andererseits sind sie durch andere Verfahren nicht zu
ersetzen. Man könnte auch sagen, eben weil die hermeneutischen Sinnentwürfe
riskant sind, seien sie interessant. Zudem hat das hermeneutische Risiko nicht den Charakter
eines acte gratuit. Vielmehr sind
auch die singulären Entwürfe eines Ganzen auf ein übergeordnetes Ganzes
bezogen. Die romantische Hermeneutik dachte hierbei an die Instanz des
‘Lebens’. Als ein adäquaterer Bezugspunkt erscheint heute die Forschung (bzw.
die Forschergemeinschaft), denn eine Interpretation ist ja nicht damit beendet,
dass sie ihren Sinn entworfen hat. Vielmehr wird dieser Sinnentwurf von anderen
aufgenommen, überprüft und möglicherweise abgelehnt. In diesem Sinn ist von
einer (hermeneutischen) Interpretation nicht nur zu fordern, dass sie in sich
konsistent ist, sondern auch, dass sie anderen – und das heißt: allen anderen –
Interpretationen standhält. (Japp, 589f.) |