8.13 Abgrenzung
1. Die Literaturwissenschaft hat
sich dem Werk ‘direkt’ zuzuwenden – nicht auf Umwegen über außerliterarisches
Gelände, wie Tatsachenermittlungen aus dem Umkreis des Werkes (Positivismus),
ideen- oder problemgeschichtliche Zusammenhänge (Geistesgeschichte), Vergleiche
und Parallelen mit organischen Gebilden (Morphologie), Erkundung psychischer
Prozesse im Dichter (Strukturpsychologie), Herleitung aus
gesellschaftlich-geschichtlichen Faktoren (soziologische Methode). All dies
sind für den phänomenologischen Blick Irrwege, die Unwesentliches zitieren, das
von der Sache entfernt, oder Schiefheiten, die die Sache verfälschen. „Nur und
nur im Spiegel der künstlerischen
Verwandlung und Verklärung lebt das, was uns die Dichtung an Sinngehalt
erschließt“ (Pfeifer 1955, 17). (Maren-Grisebach, 40) Mit Hilfe derjenigen Methoden, die
ihre Kriterien außerhalb der Literatur fanden, war man bis dahin
werk-transzendent verfahren, während jetzt das werkimmanente Vorgehen als
allein adäquat erscheint: Zu den Werken selbst! (Maren-Grisebach, 40) 2. Die Reduktions- oder Abstraktionsforderungen
setzen annähernd all das außer Kraft, was in anderen Methoden die alleinige
Aufgabe des Forschers, zumal des Literaturhistorikers,
zu sein schien. (Maren-Grisebach, 44) 3. Die Aversion gegen das
Einbeziehen von biographischen Fakten, Lebenszeugnissen und Plänen des Autors
wendet sich gegen die positivistisch-einseitig gesehene Entstehung des Werkes,
gegen die Sicht einer bloßen Kausalität. (Maren-Grisebach, 51) 4. Staiger selbst ging dazu über,
historische Adäquatheit für Interpretationen einzufordern, um die „arroganteste
Subjektivität“ seiner Kontrahenden zu bekämpfen und die ehemals
selbstverständliche Grundlage der Klassiktradition wieder einzufordern: „Man
kümmerte sich überhaupt nicht mehr um die Voraussetzungen des Werks, um die
Tradition, auf der es beruht, die Welt, in die es hineingehört. Man
interpretierte sozusagen munter aus der blauen Luft. Und das hieß denn doch:
man beschrieb im Grunde nur seinen eigenen Eindruck“ (Staiger 1962, 1) (Baasner
70) 5. Stilanalyse und Werkinterpretation
haben gemeinsam, daß sie sich dezidiert gegen die Reduktion literarischer Texte
auf Stoffe und Quellen wie gegen die Reduktion auf Spiegelungen der
Geistesgeschichte wenden. Sie interessieren sich nicht für die Frage: Woher hat
es der Dichter?, sondern sie konzentrieren sich auf die Form des Zusammenhangs,
der Fügung des als Kunstwerk betrachteten literarischen Texts. (Rusterholz,
367f.) 6. Die formal-ästhetische Richtung
in der Germanistik erteilte jeder literarhistorischen Betrachtungsweise eine
entschiedene Absage. Mit der Absage an jedes ideologische Engagement werden nun
rigoros historische, gesellschaftliche, soziale und politische Dimensionen der
Literatur aus dem Gesichtsfeld verbannt. (Klein/Vogt, 44) |