1.03 Kritik
1. (Zu Gadamer, vgl. B 2.2:): Für jeden, der die
Hermeneutik anwenden will, ist Gadamers Auskunft relativ bedeutungslos. Für den
Literaturwissenschaftler kann der Sinn des Zirkels nicht darin bestehen,
jeweils der Struktur des Daseins gewahr zu werden, weil ihm dies nichts über
den zu verstehenden Text und auch nichts über seine Interpretation sagt. (Japp, 590f.) 2. Wenn es zunächst so scheint, als seien die Interessen
der speziellen Hermeneutiken auf selbstverständliche Weise in der allgemeinen
Hermeneutik aufgehoben, so erweist sich das bei näherem Hinsehen als Schein.
Tatsächlich hat die spezielle Hermeneutik (und hier insbesondere die
philologische Hermeneutik) wenig oder gar nichts von der Grundlagenproblematik
lernen können, jedenfalls nichts, was für sie von praktischem Interesse wäre.
Häufig ist es deshalb so, dass Hermeneutik und Interpretation gar nichts
miteinander zu tun haben. Während sich die Hermeneutik als reine Theorie (als
Philosophie des Verstehens) etabliert, realisiert sich die Interpretation
weiterhin als ein praktisches Handwerk (als ars
interpretandi). Die Frage nach der gelungenen Vermittlung zwischen Theorie
und Praxis lässt sich freilich auch an alle anderen Methoden im Zusammenhang
der philologischen Wissenschaften richten. (Japp, 591) |