3.13 Verdienste
1. Diskursanalytische Konzepte sind in der
Literaturwissenschaft seit ihrem Aufkommen umstritten gewesen: Sie wurden
emphatisch begrüßt und heftig kritisiert. Eine der Standardfragen lautet, ob
die Bezeichnung ‘Diskurs’ nicht nur ein modischer Name für Phänomene sei, die
in anderer Terminologie schon lange erörtert worden seien. Diese Frage ist zu
verneinen. Zwar weisen diskursanalytische Arbeiten Berührungspunkte mit
sozialgeschichtlichen, ideen- und begriffsgeschichtlichen Untersuchungen auf,
wenn es ihnen um historisch fixierbare Denk- und Sprechzusammenhänge und die
Bedingungen geht, unter denen sie entstehen und erhalten werden. Diskursanalytiker
haben jedoch das Spektrum derjenigen Kontexte und Fragestellungen erheblich
erweitert, die als literaturwissenschaftlich relevant gelten. Zum einen haben
sie die Medialität von Literatur stärker in den Blick gerückt: Sie fassen Texte
nicht mehr als ‘Transportmittel’ für Wissen und Bedeutung auf, sondern
berücksichtigen ihre Beschaffenheit, ihre Materialität, indem sie
beispielsweise fragen, wie geschrieben wird oder wie Texte präsentiert werden.
In diesen Zusammenhang gehört auch die zunehmende Aufmerksamkeit auf die
Beziehung zwischen literarischen Texten und neuen Wahrnehmungs- und
Darstellungstechniken einer Zeit, zum Beispiel Fotografie und Film. Ferner:
Wurde Literatur in ‘traditionellen’ geistesgeschichtlichen Interpretationen
überwiegend auf philosophische Kontexte oder institutionalisierte
Wissensbestände wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse hin untersucht, so
kommen jetzt auch Alltagswissen, kulturelle Wahrnehmungsmuster und
Kulturbereiche wie Mode, Eßgewohnheiten und dergleichen in den Blick; die
Wahrnehmung der literarischen Texte wird dadurch um einiges komplexer und
differenzierter. (Winko, 476f.) 2. Texte snd heute unabhängig von einer absoluten
Schöpferinstanz und im Konfliktraum gesellschaftlicher Prozesse wahrnehmbar.
(Bossinade, 142) |