MiscellaneouS |
Autor: Eckhard Hammel |
Bemerkungen zu Gore Movie und Artificial Intelligence |
Die filmische Blutrünstigkeit entstand zu einer Zeit, für die die technische Entwicklung von Memory Machines, Artificial Intelligence und Kommunikationstechnologie die größte Anziehung entwickelte. 1963, ein Jahr nachdem Ivan Sutherlands Verbesserung der Interface-Technik mit dem Sketchpad eine der wesentlichen Basen der Virtuellen Realität legte, kam ein Film in die Kinos, der alles andere repräsentierte als eine kühle, virtuelle Welt der Zahlen und Codes: Der Film hieß Blood Feast. Sein Regisseur war Herschell G. Lewis, der sein Werk als Gore Movie unter die Leute brachte (gore = geronnenes Blut; to gore = aufspießen). Unhold Ramses schlachtet Frauen, um ihnen - "he just takes some parts of the body" - mal dieses, mal jenes Organ zu entnehmen und um schließlich den organlosen Körper der schlummernden Ishtar, "goddess of love", zu wecken. Auch in Snuff wird einer Schwangeren in den Bauch gestochen, und in der berüchtigten Schlußszene reißt ein Mann seinem weiblichen Opfer triumphierend die Innereien aus dem Bauch. Daß Frauen für den Film von jeher die geeignetsten Opfer darstellen, zeigt der Killer in Eliasbergs Past Midnight nur besonders explizit, der schlicht Probleme mit schwangeren Frauenbäuchen hat. Der Frauenmord gibt ein schier unerschöpfliches Reservoir an Inszenierungen ab, daß seine unter ständig wachsendem Härtegrad sich ausbreitenden Pseudopodien bereits in die Litertur erstreckt hat. Bret Easton Ellis' amerikanischer Psychopath präsentiert den Frauenmord als Anti-Langeweile-Verfahren, im Vergleich zu allem bisher Dagewesenen in deutlich ausgefeilterer Gangart.
Gore Movie und Artificial-Intelligence-Forschung wirken nachträglich wie zusammengehörige Felder. In diesem Fall ist eine Aufnahme etymologischer Implikationen nicht unangemessen: Der Begriff Virtualität verdankt sich dem lateinischen Begriff "vis" (Kraft, Energie, Inhalt, Bedeutung, bedeutet aber auch: Gewalttat, Vergewaltigung, Bedrängnis). Der Oberbegriff des Gewaltopfers heißt immer "Lebewesen". Mit "vis" ist das Wort "vir" verwandt (Mann, Werwolf, Soldat, Liebhaber, Held); daraus wiederum leiten sich ab "virtus" (Tatkraft, Tugend) und "virgo" (Jungfrau). Die Virtualität ist zwar keine Junggesellenmaschinerie mehr, aber sie führt wie in einem Exzeß des Bourgois deren Tradition fort. Entrückt sich die "vis" mit der technologischen Realisierung der "verkehrten Welt" (Marx) bürgerlicher Tagträume in den virtuellen Raum und betreibt dabei ein Grufti-Spiel der verbrannten Erde? |
zurueck |