Die etablierte Literaturkritik hält
durchaus verschiedene Antworten auf die Frage bereit, mit welchen Autoren,
poetischen Techniken, thematischen Schwerpunkten und ideologischen Tendenzen
in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts eine Dichtung zum Durchbruch
kommt, die die Bezeichnung "modern" verdient. Während C.K. Stead bereits
mit den sogenannten "Georgians" eine neue und revolutionäre Phase
der englischen Dichtung anbrechen sieht, werden für Stanley K. Coffmann,
Jr. oder für Wolfgang Iser die "eigentlichen Qualitäten der modernen
englischen Poesie" erst bei den Imagisten erkennbar, die mit ihrer "Bild-
und Montagetechnik", ihrer "Polemik gegen eine abgelebte Romantik" und
ihrer "Überwindung der verfestigten Schemata der Wahrnehmung" eine
Poesie begründen, deren Modernität vor allem in ihrer "entdeckenden
Funktion" gesehen wird. Die über Jahrzehnte unbestrittene Autorität
von F.R. Leavis, der in den frühen 30er Jahren Pound und Eliot als
die großen und radikalen Neuerer reklamierte, hat schließlich
dafür gesorgt, daß die beiden Wahl-Engländer als die eigentlichen
Architekten der modernen englischen Poesie betrachtet wurden und werden.
Da F.R. Leavis die beiden Dichterfreunde als geniale Schüler französischer
Meister ausgab, war damit zugleich die Lehrmeinung begründet, daß
sich die moderne englische Dichtung in vieler Hinsicht als Weiterentwicklung
des französischen Symbolismus darstellt, insbesondere als Fortschreibung
der vers libre-Poesie von Jules Laforgue, die mit ihrem dedoublement
und ihren ständig gebrochenen und irritierenden Umschwüngen und
Umsprüngen eine neue Ästhetik irisierender Klänge und Perspektiven
begründet hat.
Mit meinem Beitrag will ich zu zeigen versuchen,
daß neben den genannten Autoren auch die British Poets of the
Great War einen gewichtigen und bis heute weitgehend übersehenen
Beitrag zur Entstehung der modernen englischen Dichtung geleistet haben.
Mit ihrem Gegen- und Nebeneinander von Kriegsverherrlichung und Kriegsverdammung
stellt die englische Kriegsdichtung 1914-1918 eine literatur- und kulturgeschichtlich
singuläre Erscheinung dar, eine im Medium der Poesie ausgetragene
Kontroverse, die sowohl zur Überwindung traditioneller poetischer
Darstellungskonventionen als auch zur radikalen Infragestellung imperialistischer,
fatalistischer und neo-romantischer Positionen im politischen, ideologischen
und moralischen Diskurs in England geführt hat.
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