In Abgrenzung gegen die klassische Form der Ordnung, wie sie sich im griechischen Kosmos bekundet, lässt die Ordnung der Moderne sich durch zwei Momente charakterisieren, die in sich zweideutig sind: Individualität als Besonderheit oder als zentrale Position eines Subjekts - Kontingenz als partielle Beliebigkeit oder als Ordnungsstiftung ('es gibt Ordnung'). Die Betonung des jeweils ersten Aspektes findet ihren Ausdruck im Streit zwischen Individualismus und Holismus bzw. zwischen Relativismus und Universalismus. Dieser Streit hat inzwischen an Bedeutung verloren. Die Moderne gewinnt eine neue Radikalität in Gestalt einer paradoxalen Selbstbegrenzung von Ordnung, die sich in bestimmten Denkfiguren niederschlägt, so etwa Selbstentzug, Abweichung, Überstieg, Überschuss und Verschiebung. Fraglich bleibt der Zusammenhang zwischen Selbst- und Fremdbezug, der durch bestimmte Formen des Funktionalismus und des Fundamentalismus verkürzt und aufgelöst wird. Dieser Zusammenhang wird abschließend erläutert an bestimmten Phänomenen wie leibliches Selbst, Vergessen, Fremderfahrung, Fremdwelt und Fremdkultur. Dahinter steht das Motto: Soviel Ordnungen, soviel Fremdheiten.
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Vittoria Borsò, Vorstellung
Bernhard Waldenfels, "Ordnungsgrenzen"
Fotografien
Ausgewählte Daten bis 1998
Biographische Daten
Bernhard Waldenfels, geb. 1934 in
Essen. Studium der Philosophie, Psychologie, Klassischen Philologie und
Geschichte in Bonn, Innsbruck, München und Paris.
Seit 1976 Professor
für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Gastprofessuren
u. a. in Paris, New York, Rom, Louvain-la-Neuve und Prag.
Hauptarbeitsgebiete
Phänomenologische Erforschung der Lebenswelt, der Leiblichkeit, des Fremden; neuere französische Philosopie.
Publikationen
Das Zwischenreich des Dialogs (1971); Der Spielraum des Verhaltens (1980); Phänomenologie in Frankreich (1983); In den Netzen der Lebenswelt (1985); Ordnung im Zwielicht (1987); Der Stachel des Fremden (1990); Antwortregister (1994); Deutsch-Französische Gedankengänge (1995); Topographie des Fremden (1997); Grenzen der Normalisierung (1998). Herausgeber bzw. Mitherausgeber von Phänomenologie und Marxismus (4 Bde., 1977-79) sowie von Sammelbänden zu Husserl, Merleau-Ponty, Schütz-Gurwitsch, Foucault und Derrida.