3. Begriff und Theorie der Information
3.3 KOMMUNIKATION UND IHRE VORAUSSETZUNGEN
Kommunikation
- Zustand der Gemeinsamkeit
- Herstellung dieses Zustandes
- Verständigung als Inhalt / Wirkung dieses Zustandes
- Vorgang des Nachrichten-(Informations)austauschs.
Kommunikation setzt voraus
- Kommunikationsfähige Systeme (als Partner)
- Kommunikationswilligkeit (der Partner)
- gemeinsame vermittelte / unvermittelte Umwelt (Lebenswelt)
- (intentional) gemeinsamen Verstehenshorizont
- Interaktionszusammenhang (der Partner)
1. Voraussetzung der Kommunikation
Kommunikationsfähigkeit
bedeutet bezogen auf den
- Sender: | Mitteilungsfähigkeit |
- Empfänger: | Aufnahmefähigkeit |
• Physiologische / neurophysiologische Voraussetzungen
intakter Sinnesapparat
(rezeptiv, reaktiv, funktionstüchtig)
intakte Manipulationsfähigkeit
[Schaubild hier nicht abgedruckt, Anm. d. Hg.]
Physiologisch basierte Mitteilungs- und Aufnahmefähigkeit sind bei der Konstruktion von Informationssystemen zu berücksichtigen.
BeispieleIS für Anwender mit physiologischen Defiziten
z.B.:
- IS für Blinde
- Dateneingabesysteme für körperlich Behinderte
- E-Mail-Systeme / Newsgroups für Taubstumme
IS für Situationen, in denen bestimmte Sinnesleistungen nicht verfügbar sind / entlastet werden sollen
- bei Eingeschränktheit der visuellen Wahrnehmung etwa bei Tätigkeiten, die die visuelle Aufmerksamkeit voll in Anspruch nehmen: beim Führen von Fahrzeugen, während chirurgischer Eingriffe etc.: IS mit akustischer Inf.-Ausgabe
- bei Eingeschränktheit manueller Dateneingabe-Möglichkeit z.B. während ärztlicher Untersuchungen etc: IS mit Spracheingabe
• Kognitive Voraussetzungen
- Erkenntnisvermögen
Wahrnehmungsgehalte zu invarianten Vorstellungen verarbeiten: Grundlage jeder fachlichen Orientierung und Qualifikation und damit auch Nutzungsvoraussetzung von IS, die fachliche Information vermitteln. - Abstraktionsvermögen / Subsumptionsvermögen
Konkrete Entitäten zu Klassen gemeinsamer Merkmale zusammenführen (Begriffsbildung durch Klassenbildung); Entitäten. Klassen in Entitäten auflösen. IS-Zusammenhang: Anwendung von begrifflichen Ordnungssystemen auf klassifikatorischer Basis. Erweiterung / Einengung von Suchbegriffen. - Assoziationsvermögen
Erfassen von Relationen (Beziehungsstrukturen) IS-Zusammenhang: Anwendung von Begriffs- netzen, Navigation in Hypertexten - Reflexionsvermögen
Ichbezug zur Wahrnehmungswelt, Contolling. IS-Zusammenhang: Anwendung von protokol- lierenden Meta-Systemen (Monitoring, Fehler- protokolle etc.). - Denkvermögen
Schlüsse ziehen aus Prämissen (nach elementaren logischen Gesetzen z.B. Wenn ... dann ... Folgerungen) IS-Zusammenhang: Anwendung logischer Schlußverfahren in Experten-Systemen. - Lernfähigkeit
Lernen als spezifischer Informationsverarbeitungsprozeß
Formen des Lernens:
Lernen durch- Speichern (Auswendiglernen),
- bedingte Zuordnung (Pawlow),
- Erfolg (trial and error),
- Optimierung (Bewertung von Erfolgen),
- Nachahmung,
- Belehrung,
- Erfassen der Zusammenhänge (verstehen).
IS-Zusammenhang: Einsatz von Lernverfahren in KI-Systemen. - Sprachfähigkeit
Sprachbesitz (Sprachkompetenz)
Sprachleistungsfähigkeit (Sprachperformanz)
IS-Zusammenhang: Sprachverarbeitende Systeme.
Sprache konstituiert Kommunkation(sprozesse):
- Sprache konstituiert Kommunkation(sprozesse)
Anhang:
Kybernetische Interpretation des Erkenntnis-/ Reaktionsvorgangs
(Informationssysteme als kybernetische Systeme)
- Kybernetik (nach Norbert Wiener)
- = Steuerungstechnik zur Aufrechterhaltung der Stabilität bei dynamischen Systemen.
These
Der Mensch zeigt (als informationsverarbeitendes Wesen) in Kommunikation ( Wechselwirkung) mit der Außenwelt das Verhalten kybernetischer Systeme.
Das kybernetische Prinzip verdeutlicht am Regelkreis-Paradigma
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Weitere Beispiele
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Der Mensch als kybernetisches Kommunikationssystem
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Kommunikationsfähigkeit (Mitteilungs-/Aufnahmefähigkeit)
Zusammenfassung
- (neuro-)physiologische Voraussetzungen
Wahrnehmungsvermögen / Manipulationsvermögen - Erkenntnisvermögen
(Begriffsbildung, Wissensbildung) - Denkvermögen
(Fähigkeit, aus Prämissen Schlüsse zu ziehen, Wissensverarbeitung) - Lernfähigkeit
(Gedächtnis, Erinnerungsvermögen) - Sprachfähigkeit
(Wissensrepräsentation)
Das menschliche Kommunikationsvermögen läßt sich als kybernetisches System verstehen.
2. Voraussetzung der Kommunikation
Kommunikationswilligkeit (Kommunikationsbereitschaft)
äußert sich:
- personenbezogen
(wer mit wem?) - sachverhaltsbezogen
(was?) - systembezogen
(womit?)
vgl. die Barriereforschung zur Ermittlung defizienter Kommunikationswilligkeit:
- Einstellungsfragen (Ideologien)
- Bedürfnislagen
- psychol. Auswirkungen z.B. mangelnder Sprach-Kompetenz)
- Besitzstände
- Problem der offenen / geschlossenen Kommunikationsnetze
3. Voraussetzung der Kommunikation
Gemeinsame Umwelt
- Lebenswelt / gesellschaftliche Verhältnisse (regional, überregional) mit ihren spez. Problemen, in die Kommunikationpartner grundsätzlich eingeweiht sind.
- Politische Systeme und ihr Kommunikationsstil, ihre Gremien, Verständigungs- / Verhandlungsprozeduren, Konkurrenzverhältnisse etc., mit denen die Kommunikationspartner grundsätzlich vertraut sind.
- Mediensysteme und ihre Umweltvermittlung, die das Weltbild der Kommunikationspartner beeinflußt / bestimmt.
4. Voraussetzung der Kommunikation
Gemeinsamer Verstehenshorizont
- a) Semiotische Voraussetzung
- b) hermeneutische Voraussetzung
- c) transzendentale Voraussetzung
Gemeinsamer Verstehenshorizont,
a) Semiotische Voraussetzungen (syntaktische Dimension)
Semiotik
- Lehre von Zeichen
(Zeichengenerierung, Zeichenfunktion, Zeichenbedeutung) - Lehre von Zeichenprozessen
- Lehre vom Umgang mit Zeichen
Das semiotische Dreieck - die triadische Struktur von Zeichen (nach Peirce / Morris)
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Die semiotischen Dimensionen
- Syntaktische Dimension: Zeichen - Zeichen - Beziehungen
- Semantische Dimension: Zeichen - Objekt (Bezeichnetes) - Beziehungen
- Pragmatische Dimension: Zeichen - (Objekt ) - Interpret - Beziehungen (Dimension des Zeichengebrauchs)
Von der triadischen Struktur der Zeichen läßt sich die triadische Struktur der Information ableiten:
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Der Gegenstand der Informationswissenschaft besitzt somit ebenfalls eine triadische Struktur:
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Die Dimensionen des semiotischen Dreiecks als Informationsdreieck (Zusammenfassung)
- Syntaktische Dimension
- Verfügbarkeit von Zeichensystemen (Sprachen) zur Transformation von Wissen in Information
- Semantische Dimension
- Verbindung von Zeichen mit Gemeintem (Objekte): Sinngebung Ö Sinnverstehen
- Pragmatische Dimension
- Handeln durch Mitteilung (Verwendung von Zeichen zur Übermittlung von Sinn mit Bezug zur Lebenswelt)
Gemeinsamer Verstehenshorizont,
b) Hermeneutische Voraussetzungen (semantische Dimension)
Hermeneutik
- Theorie des Verstehens
- Theorie der Interpretation
- Kunstlehre des Verstehens / Interpretierens
- Kanonik der Kunstregeln des Verstehens / Interpretierens
- Technik, "Geschäft" der Auslegung
Verstehen
- Sinn-/Bedeutungsgehalt ermitteln
- Sinngebung
- zur Kenntnis nehmen
- Erkennen des Erkannten
- sich einfühlen können
- nacherleben
- begründen können
- werten
- einordnen können
- in Beziehung setzen
- Zusammenhänge erfassen
- sich etwas vorstellen können
- das Wesentliche sehen
- begreifen
- etwas mit Verstand betrachten
- Einsicht haben
- etc.
Verstehen - was und wie
- Sachen (Objekte), Sachverhalte, Personen
(Subjekte → Fremdverstehen)
"Wirklichkeit" - Sinn, das Wesentliche
"innere Wirklichkeit" - Sprache (als einzig zugängliche Wirklichkeit)
- Autor (Expedient)
(Intentionen verstehen durch Kongenialität) - Sichselbstverstehen (Rezipient)
- Verstehen als Existenzial
(der Mensch als sich ständig in der Welt orientierendes Wesen)
- Sachen (Objekte), Sachverhalte, Personen
Hermeneutische Sonderprobleme
- der hermeneutische Zirkel (das Ganze vor den Teilen, die Teile vor dem Ganzen)
- Vorverständnis / Vorurteile (Voraussetzungen des Verstehens)
- Methodenstreit: Verstehen - Erklären ("Geisteswissenschaften verstehen das Individuelle; Naturwissenschaften erklären das Allgemeine")
Verstehensmomente im Kommunikationsprozeß:
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Verstehensvoraussetzung:
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Verstehensvoraussetzung ist eine weitgehende Übereinstimmung der Repertoire.
[Beim*] Vermitteln zwischen Expedient und Rezipient
Informationssysteme,
muß das Rep(E) und Rep(R) überlagerte Rep(V) mitbeachtet werden.
* eingefügt, der Hrsg.
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Informationswissenschaftliche Hermeneutik
Verstehensmomente im Informationsvermittlungsprozeß:
- Feststellung des Inf.-Bedarfs
- Selektion der Information ("Dokumentationswürdigkeit")
- Indexierung
- Adäquatheit von Dokumentationssprachen
- Erschließungsmethoden
- Retrieval
- Verstehen der Anfragen
- Relevanzprüfung der Retrievalergebnisse
Der Informationsspezialist muß nach zwei Seiten hin
⇐ E
⇐ R
verstehen.
Gemeinsamer Verstehenshorizont,
c) Transzendentale Voraussetzungen
(Frage nach der "Bedingung der Möglichkeit" von Kommunikation)
Existenz von Sinn
- ⇐ Sinnkonstitution
Erkennbarkeit von Sinn
- ⇐ Erreichbarkeit der Wahrheit (Überprüfbarkeit der Sinnerkenntnis)
Mitteilbarkeit von Sinn
- ⇐ Intentionaler Verstehenshorizont
- ⇐ Intentionale Intersubjektivität
5. Voraussetzung der Kommunikation
Interaktionszusammenhang
(technische / pragmatische Dimension)
- Vorhandene Kanalstruktur
(objektiver Interaktionszusammenhang) - Vorhandene Informationsflüsse
(ideeller Interaktionszusammenhang) - Vorhandene gesellschaftliche Bezüge
(subjektiver Interaktionszusammenhang) - Vorhandener Handlungskontext
(pragmatischer Interaktionszusammenhang)
Interaktionszusammenhang objektiv (physisch)
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Interaktionszusammenhang ideell (inhaltlich)
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z.B. "Bürolaserdrucker" (Inf. ist ausschließlich fach-/sachbezogen)
Chef der Verwaltung (Inf. berücksichtigt Funktion des Adressaten)
Kommunale Behörde (Inf. berücksichtigt Umstände der Institution)
(= der Chef der Verwaltung einer kommunalen Behörde erhält Informationen über (Beschaffung eines) Bürolaserdruckers)
Interaktionszusammenhang subjektiv (individuell und gesellschaftlich)
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Interaktionaktionszusammenhang (pragmatisch)
Kommunikation als Handlungstyp
- ⇐ Reiz-Reaktionsschema (s. (neuro-)physiologische Voraussetzungen von Kommunikation
- ⇐ kybernetische Interpretation (Informationsaustausch als Interaktionszusammenhang)
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Handlungen lassen sich allerdings generell als Informations(verarbeitende)-Prozesse verstehen.
Handlungstypen unterstützende Informationssysteme
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Paradigmen des Informationshandelns
- Kommerzorientierte Paradigmen
Information ist Produktionsfaktor
Information ist Wettbewerbsfaktor
"Vorsprung durch Information"
Information ist Machtfaktor - Kulturorientierte Paradigmen
Information ist Aufklärungsaktor
Information überwindet kommunikationshemmende Barrieren
Information läßt Bildungsrückstände aufholen
Information wehrt unheilvollem Spezialistentum
Information hat transkulturelle Brückenfunktion
Information bewahrt vor Barbarismen
Kommunikation (Zusammenfassung)
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Die Aktivierung der Kommunikationsvoraussetzungen stellt den Kommunikationsprozeß dar.
Das im Kommunikationsprozeß ausgetauschte Wissen heißt Information.