Renate Neumann:
Nicht mehr lieblich schweigen
Oder: Weibliche Selbstdarstellung um 1800
am Beispiel der Briefe Rahel Varnhagens,
im Allmanach der Varnhagen Gesellschaft,
Berlin Verlag Arno Spitz GmbH, 2000
Sie fürchten mich, weil sie mich für klug halten. Rahels Intellektualität ist keine gelernte, sie hat kaum etwas mit Bildung zu tun, das ist allerdings nicht etwa untypisch für ihre Zeit, galt doch für gebildete Frauen allenfalls die Maxime ein wenig sticken, lesen, klimpern
...
Ihr ist die Macht, die Kenntnisse verleihen, wohl bekannt, Kenntnisse nicht nur, um unmittelbar in der Gesellschaft zu brillieren, zu gefallen, sondern um sie anzuwenden ... Dieses intellektuelle Interesse, verbunden mit ungezügelter Neugierde und selbständigem Nachdenken ist für viele von Rahels Zeitgenossen unverständlich und anstößig.
Das Widerstandspotential der Frauen, das sich aus ihrer verdoppelten Unterdrückung ergibt, zeigt sich in vorsichtigen Anfängen in den Briefen Rahel Varnhagens als die Formulierung der Anfänge eines weiblichen Selbstbewusstseins, das die Bedingung der Möglichkeit eines besseren Lebens ist.