Stefan Thielke

HOME india HOME

11. März 2013 ff

Es war einmal...

Als ich vor über 40 Jahren nach Puri kam, spielten die Kinder auf der Straße Ball und Murmeln. Die Menschen waren freundlich, die meisten Häuser an der Straße längst noch nicht gebaut und auch kein Hotel hier in der Gegend. Vereinzelt thronten gigantische Bauwerke mit dicken Mauern, eher Villen und zuweilen fast Paläste aus der Kolonialzeit auf den sanften Hügeln oberhalb des Bengalischen Golfs, um ohne fachkundige Instandhaltung langsam zu verrotten. Die aufwändigen, überdachten Terrassen dieser ungemein klug geplanten und umgesetzten Konstruktionen ließen dem offenen Blick Raum, über das Meer zu streichen, die blühenden Gärten spendeten Duft und Schatten.
Neben dem winzigen Fishingvillage ein breiter Sandstrand mit ausgedehntem Palmenwald zu Küstenstraße hin. Einige neuere Häuser gab es schon auf vereinzelten, gepflegten Grundstücken. Dort waren Zimmer zu finden, die Hippies seit den 60ern okkupierten. Somit war die Saat des Niedergangs gelegt, denn Häuser und Touristen wurden von Jahr zu Jahr mehr. Indische Freundlichkeit wich indischer Gier, die Touristen und Landsleute gleichermaßen auszusaugen suchte. Die Zimmer in den Häusern mussten, wenn man sie beziehen wollte, erst einmal gereinigt werden. In Indien ist fast alles anders als bei uns, häufig gegenteilig. Indische Hygienevorstellungen, soweit sie bei normalen oder unterkastigen Bürgern vertreten sind, weichen weit von denen der Europäer ab. Bettzeug vemag ohne gewaschen zu werden, Wochen in Betten, auf Kissen und Decken zu verbleiben und Dutzende Schläfer nacheinander zu beherbergen. Einige Hippies passten sich auch den härtesten Bedingungen an und kratzten lächelnd unzählige Flohbisse am wunden Bauchfell. Die Bewohner der ranzigen Räume wechselten zuweilen, waren jedoch im einzelnen weniger individuell gestaltet als chinesische Soldaten. Daher veränderte sich nichts am Gesamtbild:
Haschischkonsum von morgens an bis zum geistigen Stillstand, was nicht weit von der alltäglichen Normalbefindlichkeit vieler Reisender entfernt war. Stets die gleichen Reden über „magic India“, diesen „tollen spirit“, Meditation, die Fortschritte mit dem eigenen Innenleben, das ICH, den Sinn des Lebens..., während die Inder hier rasch lernten, immer mehr Geld aus den sonderbaren, bunten, verpeilten Gestalten zu ziehen und immer exotischere Preise für europäisiertes Essen anzusetzen, die die Touristen auch heute noch bereit sind, zu zahlen – ob aus Europa, Übersee oder dem jungen Indien. Müsli, Obstsalat und Joghurt kosten etwa drei Mal soviel, wie ein indisches Frühstück mit weitaus mehr Gehalt. Also würde von meinem Frühstück, wie ich es manchmal im „Friedenscafé“ zu mir nehme, wenn ich indisches Essen satt habe (Was öfter vorkommt.), ein Inder mehr als satt werden, einen Tag lang, wenn ich sehr hungrig und durstig gewesen war auch zwei-. Und Puri ist vergleichsweise preiswert, verglichen mit Delhi und Varanasi oder gar dem Süden, Indiens Silicon Valley. Und auch in Goa und Kerala, mittlerweile gut vermarkteten Touristenhochburgen mit sauberen Zimmern, über Kataloge für ein vielfaches meiner finanziellen Möglichkeiten pauschal buchbar, steigen die Preise unaufhörlich. „Magic“ und „spirit“ waren schon vor 40 Jahren reichlich ab- oder angegriffen, dem geistigen Zustand „rastabezopfter Weißbrote“ vergleichbar. Doch damals kamen keine indischen Touristen ins Ghetto, zum nordöstlichen Ausläufer von Puri. Der war westlichen Touristen vorbehalten, wiewohl weder ich noch die Hippies uns als Touristen bezeichnet hätten. Damals kiffte und soff ich, rauchte täglich zwei Dutzend Zigaretten, schmiss zuweilen Trips und ließ mir verloren LSD-Papers auf der Zunge zergehen. Leben und Überleben waren völlig egal. Spirit, ja Geist war wichtig, doch den hatte ich verloren. Den musste ich mir einverleiben. Das Gefühl für sich selbst blieb angesichts des bunten Gemischs chemischer Substanzen vollkommen auf der Strecke.
Es waren das Meer ohne Plastikberge und Tonnen von Granulat und Staub, das klare, reine Wasser, das auf einen endlos langen, breiten Sandstrand wogte, der noch nicht über Kilometer zugeschissen war, die vergleichsweise gute, preiswerte Versorgung sowie Unterkunft, als auch hiesige Ruhe und Gelassenheit, die mich immer wieder zurückkehren ließen.
Puri, als solches für uns heute nicht sofort zu erkennen, ist für Hindus ein heiliger Ort, einer der vier heiligsten seiner Art in Indien. Und weil ein Großteil moderner Langhaarkolonialisten und Tausende nachfolgender Trampeltouristen sich wohl nie zu benehmen lernen würden. Weil sie in ihrer nicht zu übertreffenden Ignoranz heuschreckengleich jeglichen Trieb, sämtliche Früchte wie auch alle Samen von den Bäumen der Um- und Rücksicht fraßen und fressen, innerhalb und außerhalb von Heiligtümern. Und weil sie es schließlich sogar schafften die unübertreffliche, indische Gelassenheit und Toleranz herauszufordern, wie genau, werde ich wohl nie erfahren, daher ist der immerhin etwa fünf Kilometer entfernte Jagannath Tempel im Zentrum von „Old-Puri“ wie viele andere Tempel in Indien, vornehmlich in der Nähe von oder direkt im Zentrum „angesagter Alternativreiseziele“ nur noch für Hindus zugänglich.
Die großen, runden Augen der Tempelfigur erinnern zwar fast an einen Comicstar, doch nichtsdestotrotz war dieser einzigartige Ort über kurz oder lang zu schützen gegen Vibrationen, die selbsternannte Möchtegernsprittuelle an energiereichen Orten zu spüren meinen, an Orten die heute natürlich ausnahmslos in Reichweite westlich orientierter, preiswerter Versorgung ... liegen. Eintrittsverbot als harter, verständlicher Ausdruck und als letztes Mittel gegen Ignoranz und weltfremde Dusseligkeit...
Es ist leider so, dass derartige Touristen dem Land mehr Schaden als Nutzen zufügen. Neben ihrem anstößigen Verhalten, gestern lagen tatsächlich zwei mittlerweile kahlgeschorene Althippies nackt am Strand (Würden Sie in den Beichtstuhl einer Kirche scheißen? … Na also!), lassen die ja auch kaum Geld hier. Im Königreich Bhutan hat man mit einem Touristenvisum von 200,- US $ täglich und weitgehend geführten Reisen reagiert. Das Land bleibt „sauber“. In Puri dagegen verbreiteten unlängst junge, russische Schlampen - keine armen, indischen Dorfbewohner - Läuse. Darunter hat auch mein lieber T. zu leiden, der in ihrer Nachbarschaft lebt. Ohnedass die Ignorantinnen mit verhaltensgestörtem, stets hungernden, abgemagerten Kind, dass distanzlos und wärmesuchend allen Reisenden nahe kam, ihren Vermieter und ihre Mitbewohner informiert bzw. gewarnt hätten, um diese Plage eindämmen zu können, reisten sie nach tagelanger, erfolgreicher Verseuchung ungerührt weiter. So wird die Tradition von Ignoranz, Dummheit und Missachtung fortgesetzt, die in den sechziger Jahren hier Einzug hielt.
Wichtig ist für einheimische Jungen und viele Männer in solchen Gegenden vor allem, dass willige Europäerinnen oder auch Russinnen anreisen, und daran besteht kein Mangel, wenngleich sie zuweilen wie Großmütter der wohlgestalteten, jungen, braunen Knaben wirken. Hier wird veranschaulicht, was sonst unvorstellbar erscheint: Sex zwischen Greisinnen und jungen Soldaten, wie das auch in Feindesland während Kriegen häufig der Fall war, wenngleich von weiblicher Seite aus eher unfreiwillig. Sobald es nach weiblichen Körperöffnungen riecht, scheinen Bananen in den Hosen zu erstarken und darüberliegende Köpfe auszusetzen. Und wenn die ihren Lurch dann auch mal unterbringen dürfen, wird über die meisten Verfehlungen hinweggesehen.

Derweil entwickelte sich die Chakra Tirtha Road zur C.T.- Road und schließlich zur Cheet Tourists Road. Wo früher Kinder Ball und Murmeln auf der Fahrbahn spielten, rollen heute unablässig staubaufwirbelnde Fahrzeuge. Ein endloses Hupkonzert verhallt erst in tiefer Nacht. In den angrenzenden Geschäften verkaufen Händler Andenken, reihen sich Imbisse und Kleinrestaurants aneinander. Man wird wie überall in Touristengebieten dämlich angequatscht. Alle versuchen, Geschäfte zu machen. Respekt und freundliche Zurückhaltung sind jedoch weitgehend verdampft, wie das morgendliche Sprenkelwasser zum Kampf gegen allgegenwärtigen Staub auf der Straße.
Als ich vor 40 Jahren nach Puri kam, herrschte hier Ruhe. Es gab das Fischerdorf - weitaus kleiner als heute und mit traditionellen, strohgedeckten Häuschen. Der breite Sandstrand lag freundlich und sauber da, ohne fliegende Händler, windige, fischbratende, kugelbäuchige Lifeguards und Chaishops mit Wassermilchsüßlauge anstatt Chai. Auch der schattenspendende Palmenhain am Meeresufer war noch nicht unter fadenscheinigen Rechtfertigungen abgeholzt und verbrannt worden.
Neben den Kolonialbauten tauchten damals nur vereinzelt neuere Gebäude auf, die auch Zimmer vermieteten. Kleine Wälder, Palmenhaine, Gärten, Felder und Gehöfte säumten den Dünenstreifen. Heute ist alles zugebaut oder von Mauern umgeben, aus Spekulationszwecken vom Verkauf zurückgehalten, doch immerhin schon eingegrenzt. Marode Hotels werden seit ein, zwei Jahren nicht nur neu verkleidet, vergrößert und aufgestockt, sondern auch modernisiert. Eine wachsende Betonkulisse, die sich mit grellbunten Mauern in Rot, Blau, Pink und Violett näher an das Meer heranschiebt und alles dahinter zu verdecken vermag. Die Zimmerpreise steigen nach einer umfassenden Renovierung und Modernisierung auf das dreieinhalbfache.
In der Saison, um Weihnachten/ Neujahr, kostet hier sowieso alles mindestens das Vierfache an Miete. In dieser Zeit werden die Geschäfte gemacht. Ich bin hier und jetzt um diese Zeit finanziell so bedeutungslos wie all wir humanen Staubkörner in den Weiten des Universums. Diese Bewußtseinsstufe habe ich schon mal erreicht!
Die Bodenpreise von Puri entsprechen denen in größeren, deutschen Städten. In den vergangen drei Jahren haben sie sich verzweieinhalbfacht (Was für ein Wort!). Korruption und Spekulation sind zu Luxussportdisziplinen avanciert, doch immerhin noch weitgehend öffentlich, nicht gänzlich versteckt, juristisch legalisiert und lobbyistisch weiter ausbaubar wie in Deutschland.
Es waren die „Love & Peace-Bewegungen“, die nachhaltigste, folgenschwerste Impulse für modernen Kolonialismus in Gang setzten. Ihre stets lächelnden, zu Beginn naiven Vertreterinnen und Vertreter schädigten soziales Gefüge, Ökosystem und Umwelt tiefgreifender als Braunkohletagebau. Nachdem in Californien, Italien, Spanien... auf Kreta, Malta, Zypern und anderen wunderschönen Perlen unter Gottes Himmel die Ignoranten einfielen, war der Abstieg in die moderne Hölle des Massentourismus nicht mehr aufzuhalten.
Wenn Berlin für junge Menschen, die gerade dort ankommen, noch immer unvorstellbar attraktiv ist. Wenn abgewrackte, traditionelle Urlaubsorte noch immer von Neuankömmlingen gepriesen werden, so können die Alteingesessenen wie meine Nachbarn und ich in Berlin nur traurig die Köpfe schütteln. Denn für uns ist, gemessen an dem, was hier vor 20 Jahren vorherrschte und gelebt wurde, nur noch Mythos da. Mythos von Schönheit und angenehmem, menschlichen Zusammenleben, was in dieser Form längst schon dahin ist, wie eine jahrelang vergessene Blüte im Wüstensand. Die Inder denken da etwas anders. Es ist eben so wie es ist. Ist es gut, ist es gut. Ist es nicht so gut, ist es auch gut. Doch auch hier ist für viele Alten früher alles besser gewesen.
„Tourists are Terrorists“ war während der 80er jahrelang in der Kreuzberger Oranienstraße an einer Wand zu lesen – oder war das in der Adalbertstraße? Ich bin zum Terroristen geworden, zeitweilig hier in Puri und an vielen anderen Orten in Indien! Doch dann komme ich wieder und betrachte beim zweiten Besuch die Welt ohne Staunen und Blauäugigkeit. Und ich bleibe im Gegensatz zu unzähligen Patienten hier stets klar im Kopf, verweigere mich jeder Betäubung. Wenn es Durcheinander gibt, so ist es mein eigenes, inneres, mitgebrachtes -.
Außerdem verdienen die Inder wenigstens etwas an mir, die Geschäftemacher mit ihrem unterbezahltem Personal, denn ich bin nicht lange genug hier, nicht knauserig genug, selbst zu kochen. Ich miete ein Zimmer, gehe regelmäßig essen, benötige öfter mal ein Tuctuc oder eine Fahrradrikscha, auch wenn ich keine Andenken kaufe. Von meinem Wesen her bin ich auch weit entfernt vom Schmarotzertum einiger Langzeittouristen, geschweige denn davon, andere Touristen zu bestehlen, wie es die Hippies in Griechenland eingeführt haben.

Ich gewinne an Lächeln und verliere an Bitterkeit, wenn ich dem sinnlosen Tun – reiner Beschäftigung zum Kampf gegen Langeweile von faden Abziehbildern schillernder, bunter NewAgeHeroen zuschaue, während meine Gedanken von Tag zu Tag an Klarheit und Scharfsicht gewinnen.
Zuweilen gibt es erfreuliche, abweichende Ausnahmen - menschlich gesehen - auf beiden Seiten, doch nur äußerst selten. Die meisten Langzeitindientraveller, die Alkohol und Drogen entsagt haben – beziehungsweise exzessivem Konsum selbiger Substanzen, sagen auch Indien mittlerweile „Auf nimmer Wiedersehen“. Die, die wiederkehren, haben es zumindest längst aufgegeben, einen Subkontinent und seine Einwohner missionieren und erziehen zu wollen. Einige fluchen auf die Inder, andere hassen sie zeitweise, wiederum andere, die stets zurückkommen, begegnen ihnen distanziert.
Ein Rezept kenne ich nicht. Was niemals schaden kann, ist Humor und Klarheit im Umgang mit ihnen. Gemäß Toms klugem Hinweis: Das richtige Wort zur richtigen Zeit schafft Klarheit und Verbindlichkeit! Die Frage ist dann jedoch, ob sie „das richtige Wort“ verstehen. Davon sollte man keineswegs ausgehen!
Vielleicht kann man ein wenig Entwicklung bei einzelnen motivieren, soviel, dass sie langfristig in der Lage sind, sich und ihre Familien zu versorgen, einigermaßen unabhängig von maßlosen TucTuc-Verleihern, knauserigen Restaurant- und Hotelbesitzern... Derartige Wünsche sollten unsererseits sehr sehr bescheiden auf den Weg der Umsetzung gebracht werden. Wir sollten diese Hoffnung nicht ganz aufgeben, andererseits jedoch genau hinschauen, wem wir sie schenken. Was Gott, Natur oder wer/was auch immer nicht zu ändern vermochte, das verändere ich auch nicht, geschweige denn in meinem kurzen Leben. Bin doch nicht größenwahnsinnig.

Einige indische Kleinunternehmer versuchen es mit ökologischer Orientierung und behutsamem Tourismus. Darauf kommt keiner von ihnen ohne westlichen Einfluss. Wenn sie das mit guten Leuten aus dem Westen zusammen entwickeln und rausgehen, ein Stück weg von Orten wie Puri, haben sie eine Chance.
Leider erliegen die meisten von ihnen der Gier, beuten ihre Angestellten und Geschäftsführer wie seit jeher bis aufs Blut aus, während sie sich der Geldzählerei widmen. Es wird stets eine Weile dauern, doch irgendwann gehen die Angestellten. Irgendwann steigt auch der geduldigste Kellner oder Manager aus. Dann ist so etwas wie ein Neuanfang fällig, was teuer und arbeitsaufwändig ist. So weit scheint auch der Besitzer oder Betreiber von Gastronomie oder Hotel nicht zu denken.
Die Voraussetzung für ein eigenes Projekt ist meiner Meinung nach in ersten Linie Land- und oder Immobilienbesitz, wenn man nicht soviel Geld hat. Ich weiß nicht ganz genau, wie das im Einzelnen erfolgreich umgesetzt werden kann. Es gibt keine Universalformel, doch einige Regeln, die oben genannte Minustouristen niemals verstehen werden...
Man muss hart sein können gegen die kleinen, braunen Geister um einen herum. Daneben gilt es - wenn man länger hier lebt - für Europäer unvorstellbare, innere Einsamkeit ertragen zu können, völliges Alleinsein. Wieso, und wie das gehen soll in einer Welt voller Menschenmassen? Die ticken einfach anders als wir in Europa, völlig anders. Ihre Kommunikation ist zuweilen das perfekte Gegenteil der unsrigen, denn Kopfwackeln/ -schütteln bekundet Zustimmung. Und wenn man nach dem Weg fragt, bekommt man immer eine Antwort, oftmals jedoch ohne auch nach stundenlanger Suche sein Ziel zu erreichen.
Somit scheint es für viele Europäer, die etwas tiefer in die hiesige Welt einsteigen unerreichbar, die fröhlichen, lebenslustigen Mitmenschen hier zu lieben, auch wenn sie uns gerade „übers Ohr gehauen“ haben. Einerseits sind sie ungewohnt anhänglich, mit dem Drang, uns schier zu erdrücken und kaum in Ruhe zu lassen. Andererseits wahren sie stets einen gewissen Abstand, wobei ihrer Neugier einerseits sowie dem Drang, uns auszunehmen, keine Grenzen gesetzt sind.
Mit einer Mischform aus Achtung und Liebe umzugehen, vermögen nur wenige Menschen, denke ich. Sonst gäbe es auch in Europa weniger Ehescheidungen und mehr Familienleben, wo mir das Zuschauen einfach Freude bereiten würde ...

Falls man geistig gesund überleben möchte in Europa, in Deutschland und insbesondere in Indien, sollte man in der Lage sein, sich sinnvoll zu beschäftigen. Konsum, Medien und Unterhaltung können meiner Meinung nach nur einen sehr geringen Anteil an sinnvoller Beschäftigung haben. Mit sinnvoller Beschäftigung meine ich vor allem aktives Tun, Bewegung – geistig sowie körperlich. Gartenbau + Schriftstellerei, Ackerbau + Malerei, Handwerk + Dichtkunst, Hausbau + Musik...

Vielleicht muss jemand, der länger oder immer wieder in Indien lebt, auch der „inneren Immigration“ mächtig sein? Vielleicht ist es der Reiz nüchterner Indienreisender, die Balance innerer Gestimmtheit und Ausgeglichenheit zu finden? Ich weiß es nicht, bin jedoch weiterhin auf der Suche nach „dem irdischen Paradies“. Und irgendwie werde ich das immer sein, denn mir schwant, dass wir alle dieses Paradies in uns haben, es entdecken können oder eben auch nicht. Ein wenig Abstand zur eigenen Welt braucht man da schon, doch diese eigene Welt völlig zu verlassen?
Es mag sich mit der „Heimat“ ähnlich verhalten wie mit dem Zusammenleben. Nur wenn man sie für eine Weile verlässt, wird man lernen, Heimat und auch Partnerin zu schätzen. Ich mag Indien, wenngleich die Menschen hier mir immer ein Stück fremd bleiben werden. Ich mag Deutschland, dieses wunderschöne Land mit unvergleichlichem Potential, was ständig gebremst wird. Die Bremsen/ Politiker und ihre Schergen hasse ich. Doch das hält mich nicht davon ab, zurückzukehren.

© Stefan W. Thielke