Der Student Norbert Dittmar stand in seinem Badezimmer vor dem Spiegel, in den er schaute, als er bemerkte, dass er Haarausfall hatte.
Vor lauter Schreck fiel seine morgendliche Erektion vollständig in sich zusammen. Sein Penis hatte sich ganz hinter das dichte Büschel seines krausen, brünetten Schamhaars zurückgezogen, auf das dieser immer seine Eichel bettete wie ein müder Wanderer sein Haupt auf ein weiches Kissen, wenn Norbert auf dem Rücken in seinem Bett lag und schwer atmend mit seinen Fingern in seinem Bauchnabel planschte.
Vorsichtig fuhr er sich mit zitternden Händen durch das dunkle Haupthaar, durch das seine Kopfhaut schimmerte, wie ein glattrasiertes Frauenbein durch einen Nylonstrumpf, bis die Kuppen seiner Finger eine kahle Stelle oben auf seinem Kopf ertasteten.
Norbert stieß einen hohen, dünnen Schrei aus und riss seine Arme herunter, als hätte er in etwas Glibbriges gefasst. Er sank auf den Rand der Badewanne nieder und konnte eine Weile lang keinen klaren Gedanken fassen. Langsam beruhigte er sich aber wieder und auch sein Penis reckte sich zurück in seinen gewohnten halbsteifen Aggregatszustand. Das Leben musste ja irgendwie weitergehen.
Jetzt, wo er so darüber nachdachte, fiel ihm auch ein, dass in letzter Zeit, immer wenn er ein Buch las, sich die Seiten wie aus dem Nichts auffällig mit Haaren bedeckten, die er gedankenlos weggepustet hatte.
Von da an verfolgte Norbert den zunehmenden Schwund seines Haupthaares mit wachsendem Unbehagen. Ängstlich aber akribisch überprüfte er jeden Morgen den Stand der Rückbildung wie eine schleichende Krankheit und kontrollierte auch die übrigen Teile seines Körpers, konnte aber weder auf Beinen, Rücken, Brust und Po, noch auf und unter den Armen und im Intimbereich nachlassende Behaarung feststellen.
Dies war nicht wirklich tröstlich, konnte aber ausschließen, dass er sich eine Vergiftung zugezogen hatte wie einst sein ehemaliger Mitbewohner Henning Pettenkofer, dem sämtliche Haare samt Augenbrauen und Wimpern ausgegangen waren, nachdem er sein Bücherregal mit einem Holzschutzmittel eingepinselt hatte, das, wie ein Hinweis auf der Dose des Mittels warnte, nur für Fassaden von Holzhäusern im Freien verwendet werden durfte, wie Henning später von einem russischen Dolmetscher erfuhr. Henning trug seitdem eine Brille, um seinem Gesicht mehr Struktur zu verleihen, obwohl er weder kurz- noch weitsichtig war.
Eines Morgens einige Monate später beschloss Norbert jedoch seinem Haarausfall wie ein Mann ins Auge zu sehen. Er würde nicht seine restlichen Haare scheiteln und über die kahle Stelle kämmen und sich schon gar nicht, wie sein Onkel Clodwig, ein Toupet bei einem Perückenmacher anfertigen lassen, das Clodwig abends über einen Kunstkopf drapierte, der auf der Schminkkommode im ehelichen Schlafzimmer stand, weswegen ihn seine Gattin, Tante Ida, letztendlich verließ, da ihr der Kopf mit dem Toupet Angst einjagte.
In der Nacht danach träumte Norbert von seiner Grundschullehrerin Frau Erdmute Kuschel, die geblümte Kleider mit tiefen Armausschnitten trug, welche den Blick auf dichtes Achselhaar freigaben, wenn sie den Arm hob, um etwas an die Tafel zu schreiben oder die Spitze des Zeigestocks um einen Kontinent kreisen ließ, und dabei den gesamten männlichen Teil der Klasse erotisierte.
„Norbert, hörte er sie sagen, Norbert, du bist unaufmerksam. Du bekommst gleich eine Glatze.“
Norbert erwachte und stellte sich vor, bei Frau Kuschel nachsitzen zu müssen.
Danach planschte er wieder mit seinen Fingern in seinem Bauchnabel.