(Bildung ist das Ritual der Zivilisation)
Eines Tages ging ich in eine Bibliothek, in deren Vorraum eine strenge Bibliothekarin mit schwarzen Haaren auf dem Kopf, den Unterarmen und der Oberlippe hinter einem Schreibtisch saß, neben dem sich eine Tür, durch die ich ging, befand, die gerade eben noch hoch genug war, so dass ich den Kopf nicht einziehen musste, um ihn vor einer Verletzung zu bewahren.
Ich gelangte in ein Labyrinth aus Regalen, auf denen Legionen von Büchern im Glied auf ihren Einsatz warteten, deren Reihen ich eine Weile lang abschritt, planlos und unentschlossen, bis jemand an einer Kreuzung mit mir zusammenstieß.
Ich bog in einen Gang, an dessen Ende große Bände standen, Unheil verkündend wie Kanonen, bedrohlich schweigend wie ein undurchdringlich dunkler Wald in einer frostig kalten Winternacht, Folianten, die mich abrupt innehalten und schnell den Rückzug antreten ließen.
In einem kleinen Raum fand ich sehr handliche Bücher, bunt, durcheinander gewürfelt, einige lehnten sich an die Schultern anderer, freundlich vertraut, verliebt. Manche lagen einfach so herum, sorglos, etwas unaufgeräumt, auf dem Bauch mit ausgebreiteten Armen wie Sonnenbadende am Strand.
Ich wandte mich ab und ging, kam zu einem Regal mit ernsten Büchern ohne stirnrunzelnde Rücken, von denen ich eines mit zwei Fingern hinten am Kragen packte und zwischen den anderen herauszog, das mir beim Umblättern der Seiten aber seinen stinkenden Atem entgegen blies und es roch, als schlage man die Bettdecke eines Kranken zurück, todgeweiht, in lateinischer Sprache verfasst, die mir ihre Bedeutung vorenthielt, wie ein böser, älterer Bruder, der einen Ball hoch und von einem weghält, bis man wütend wird, weint und schließlich resigniert. Ich stellte es mit dem Gesicht zur Wand zurück, es sollte sich was schämen.
Dann entdeckte ich ein schmales Büchlein, das etwas hervorstand, jemand hatte es nicht ordentlich zurückgestellt. Es blickte ängstlich über die Kante eines Regals in den tiefen Abgrund hinunter auf den grauen Fußboden, wie ein Kätzchen auf einem Baum, das ich rettete, mit einer der Trittleitern.
Ich trug es durch das Labyrinth und die niedrige Tür in den Vorraum, wo die Bibliothekarin ganz überraschend freundlich lächelte unter ihrem flaumigen Damenbart und mich zu meiner Wahl beglückwünschte.