Bodh Gaya, 28. Februar 2011
Namaste,
Alter hat seinen Preis. Ich lerne die Bequemlichkeit zu schätzen. Glücklicherweise noch nicht so extrem wie ein Greis. Sie glauben mir auch in Bodhgaya (Bihar) nicht, dass ich 47 bin und erklären, mein Herz sei jung. Das ist so erfrischend wie die Fröhlichkeit hier auf den Straßen.
Die annähernd 20 Stunden Zugfahrt habe ich gut überstanden. Sehr nette Gesellschaft, was auch nötig war, denn in meinem und den angrenzenden Wagen war ich die einzige, weiße Haut. Und sie sind aufgetaut, die freundlichen, kleinen, braunen Menschen, die in Richtung des korruptesten und gebeuteltsten, indischen Bundesstaat, nach Bihar fuhren, wo vergangenes Jahr 20.000 Kinder verhungert und an mangelnder Versorgung gestorben sind, weil sich wieder einmal die Vermögen der Regierenden in der Schweiz und in Israel häufen, während die Menschen hier weiter ausgesaugt werden. Scheuer sind sie in Bihar, weniger frech und sehr respektvoll. Fast möchte ich meinen, ihre Zurückhaltung spiegele sich in ihrer Würde wieder. Arm und dennoch so unendlich reich, wie es kein Nordeuropäer je sein könnte und auch nicht muss.
Nach grünen Federn, bunten Menschen inmitten leuchtenden Grüns von Senfölanbauten, kam der Staub. In Bihar hat es lange nicht geregnet, die Temperaturen liegen über 25°C am Tag, doch nachts ist es angenehm kühl. Wasserbbüffel trotten durch die Straßen. Die Menschen, ein buntes, geschäftiges Treiben.
Am Bahnhof herzlicher Abschied von meinem Begleiter Hisham (seit Delhi), mit dem ich das Abendessen geteilt habe. Hausmannskost schlägt jedes Restaurant. So geht er zurück zur Familie, ohne Arbeit, ohne Perspektiven hier in der Gegend. Und ich nehme es, wie es Inder nehmen, mit Anteil, doch ohne jegliches Mitleiden. Sie haben mir so viel geschenkt, in den vergangenen Jahren.
Bodhgayas Tuktukfahrer haben mich nicht ausgetrickst. Die Fahrt war so lang, dass ich das, was ich heruntergehandelt hatte, wieder draufgelegt habe, bei Spritpreisen von 0,75€. Alles ist staubig hier, doch die kleine, geschäftige Stadt, aus der man auch zu Fuß schnell wieder heraus ist, auf Feldern in der Weite der Landschaft, habe ich sofort liebgewonnen. Ein absolut sauberes Zimmer mit fließend warm Wasser, freundlichen Menschen ganz nah vom Zentrum, dem Mahabodhi-Tempel, größtem Heiligtum der Buddhisten überhaupt. Doch davon später mehr. Ich fühle mich wohl und leiste mir den Luxus einer kleinen Ruheoase für gut 8,-€, wovon hier eine Landfamilie ein paar Tage leben kann. Ich weiß, dass ich vor Nepal etwas hier im ländlichen bleiben möchte, wenngleich mich die "Reichen" im Zug vor Überfällen gewarnt haben, die Reichen, die Angst haben müssen, weil sie viel besitzen ...
Herzliche Grüße aus dem schönen, bitterarmen Bihar und ein freundlicher Segen aus Buddhas Wirkungskreis, aus der Gegend wo er von Suddharta zum Buddha wurde,
Stefan
Bodh Gaya, 28. Februar/ 1. März 2011
Namaste,
jetzt ist es Nacht und ziemlich kühl. Ohne Jacke ist es mir zu kalt da draußen. Ich komme gerade vom Teetrinken mit einem guten halben Dutzend Jugendlicher. Wie immer nannten sie mich "Onkel" und waren nach anfänglicher Zurückhaltung sehr neugierig und aufgeräumt. Sie haben mir etwas Hindi beigebracht und wollten Fotos von Virginija sehen. "Very sweet", so ihr Kommentar zu uns als Paar annähernd drei Mal so alt wie sie selbst. Das finde ich dann sehr rührend.
Sie hatten heute Examenstag und waren so fröhlich und aufgeräumt. Morgen geht es zurück in die Dörfer für sie, und alle haben kleine Geschenke für ihre Geschwister gekauft. Ich sollte Nudeln mit ihnen essen, doch ich war gerade im Internetcafé und vorher bei den Tibetern essen. Das war ein Bild: Ein kleines, blitzsauberes Lehmhaus mit Palmendach, da musste ich durch die Tür "kriechen". Dann nur tibetische Mönche um mich herum in ihren roten und rotgelben Gewändern, doch wie kräftig die reingeschaufelt haben. Alles ganz ruhig und friedvoll, wenn nicht der Fernseher mit Musikvideos gelaufen wäre. ... und alle Mönche saßen so, dass sie gut sehen konnten. Die kleine Bedienung reichte mir bis kurz über die Hüfte, der Chef hat in einem Affentempo Armbänder geflochten. Das eine Ende war am Griff des Kühlschranks befestigt. Dort habe ich fantastische Momos / Nudelteigtaschen mit Fleischfüllung und Brühe gegessen.
Ich freue mich auf morgen. Will früh aufstehen und fotografieren gehen. Mal schauen. Jedenfalls ist alles wunderbar entspannt. Nur viele Mücken und Fliegen gibt es hier.
Ein guter Morgen mit strahlendem Sonnenschein im Mahabodhi Tempel, dessen Ursprung auf 600 n. Chr. zurückgeht. Hier hat Siddharta Gautama die Erleuchtung erlangt, unter einem Bodhi Baum, um dann als "Buddha" eine neue Weltreligion zu schaffen. Das ist sichtbar an den Europäern, die sich hier mit irgendwelchen festgelegten, annähernd liegestützähnlichen Übungen am Tempelleben beteiligen. Ruhig ist es hier im Tempel, viele unterschiedliche Gruppen, die ich nicht auseinanderhalten kann, sind hier in Meditation und Andacht versunken.
Interessanter als das Tempelinnenleben sind die unzähligen Kleintempel, Figuren und Stupas um den neuen Bau herum, die teilweise schon 184 v. Chr. geschaffen wurden. Überall außerhalb des zentralen Tempels geschäftiges Treiben. Doch ich bekomme auch eine Ahnung davon, welch unsagbare Armut in den umliegenden Dörfern herrschen muss. Die Bettler hier, die oft von Lepraerkrankungen gezeichnet und verkrüppelt sind, die hat man ja an jedem Pilgerort, wo sie gute "Geschäfte" machen können.
Nach einem guten Frühstück im tibetischen Café (touristengerecht) war ich noch in ihrem Tempel, wo der Dalai Lama auch oft im Dezember und Januar zu finden ist. Die Bilder künden von diesem weisen, humorvollen Mann. Ich lasse jetzt erst einmal die Sonnenglut vorbeigehen. Wir wandern auf die 30°C-Marke zu, doch noch sind die Nächte kalt. Heute Abend werde ich mich wieder in das religiöse Treiben im Tempel stürzen und dann diese Nachrichten zu euch senden.
Stefan
Bodh Gaya, 2. März 2011
Namaste, Tashi delek,
oder was man sonst noch so sagen mag. Wir haben Stromausfall in ganz Bodh Gaya. Mich stört das wenig, denn es ist das erste Guesthouse mit leistungsstarkem Generator, das ich kennenlerne. Ich werde noch ein paar Tage hierbleiben und dann in den Moloch Patna, wenn sich keine andere Möglichkeit findet, denn von dort aus fahren Busse nach Raxaul an die nepalesische Grenze und dann fünf Kilometer hinter der Grenze nepalesische Busse nach Kathmandu. Das sind 15 bis 20 Stunden reine Fahrzeit. Ich werde den Moment schätzen, wenn ich da bin... Es ist jedoch einiges an Organisiererei zu leisten.
Heute morgen bin ich um 6:00 Uhr aufgestanden und raus auf die Felder gegangen. Alles ist grün (verstaubt), die Reisfelder leuchten. Und die Menschen kommen um diese Zeit so langsam in Gang. Hier auf dem Land beginnt ja alles etwas früher. Die Kinder, die sich langsam für die Schule fertigmachen sowie langsam erwachend sonstiges an Mensch und Tier.
Dann habe ich einen buddhistischen Mönch aus Deutschland kennengelernt. Der ist der erste vernünftige Mensch, den ich hier treffe. Die Touristen sind entweder völlig dem Buddha ergeben und kurz vor der Erleuchtung, deren Folgen sich dann wohl in einem Kurzschluss dort oben in Hirnkästchen zeigen, wie auch immer der aussehen mag oder sofort wieder weg.Wir haben jedenfalls einige Stunden am Vormittag und am Nachmittag zusammen verbracht, kurz unterbrochen von weiteren vernünftigen Menschen, einer jungen dänischen Familie, die mit kleiner Tochter (5) durch Indien reist. Wie viel Freude das macht, kann ich ja nun nachvollziehen, wo wir die ersten zwei Wochen mit Neele verbracht haben.
Ich habe ein wenig das unspektakuläre Bodh Gaya erkundet, die Wohnstätten der Armen (nicht der ganz Armen, die haben ja keine). Das ist etwas ganz anderes als in der Stadt. Mittags mache ich jedoch Pause. Langsam werden auch die Nächte wärmer, doch um die Mittagszeit brennt die Sonne unbarmherzig, was ich mir nicht antun mag.
Die mitgehörten Reiseeindrücke junger Touristinnen lasse ich lieber aus. Dass die nicht kapieren, dass es neben unseren Werten, Gebräuchen und Gepflogenheiten noch etwas anderes gibt, fasse ich nicht. Und dass sie sich nach ein paar Wochen Indien ein Urteil über die Menschen und die Gesellschaft hier erlauben, finde ich schon mehr als ignorant und arrogant. Na ja, der Moment, wo ich mich richtig aufgeregt habe, liegt schon ein paar Tage zurück. erinnern kann ich mich nicht mehr daran. Danke Indien!
Im Moment singen sie vor meinem Fenster, der zu einem kleinen Shiva Tempel hinausgeht. Bin ich froh, dass das kein Krishnatempel ist. Die jaulen die ganze Nacht. Leider findet der Trommler nicht zum Takt der Sängerinnen, die wirklich schöne Stimmen haben. Es ist noch sehr früh, doch sie werden mich sicher bald in den Schlaf singen. Vor sechs aufstehen und die Sonne langsam aufsteigen zu sehen ist ein Genuss.
Bodh Gaya, 3. März 2011
Heute habe ich verschlafen. So war ich erst kurz vor 7:30 Uhr draußen auf dem Land. Feiner Dunst liegt über den Feldern. Die Kühe käuen gemächlich, bunte Vögel zwitschern, Enten versperren mir selbstbewusst den Weg, junge Ziegen rennen blöckend herum (egal ob mitten auf dem Markt oder hier in den kleinen Gehöften am Feldrand) und graue Schweine wühlen im Schlamm. Die Menschen grüßen freundlich, sind jedoch sehr zurückhaltend, wirklich entspannend. Doch überall Plastikmüll und Wasser voller Keime, Waschmittelreste und Exkremente, wenngleich sie hier eher im Feld kacken, die Kinder gern auch an den Straßenrand.
Ich habe dann wieder mit Mangla Subho, dem deutschen Möch zusammen gesessen. Nicht sehr asketisch und mit dreidimensionaler Kunst beschäftigt. Kommt nicht mehr nach Deutschland zurück im Moment. Na ja, da werde ich dann wohl ein wenig helfen. Vor einigen Jahren war er in Berlin für zwei Jahre, was ihm nicht so gut bekommen ist - verständlich.
In seinem "Heimatort" in Orissa, ganz im Osten am Meer ist er vielleicht ein wenig so etwas wie Helmut mit seinem Artist Hotel in Jaisalmer. Und er kann zornig werden. Zornige Mönche mag ich irgendwie lieber als die, die lächeln und immer auch gern die Hand aufhalten. Hier in ihrem heiligsten Pilgerort beten sie mit Handy vor der Nase, spielen auf Apple Notebooks, und sehen durchweg mehr als gut ernährt aus. Die Tempel haben Ausmaße und sind unvorsteellbar reich geschmückt - und immer neue entstehen neben angrenzenden Hütten der Armen, die dann irgendwann auch weichen müssen. Da kommen mir dann doch so einige Zweifel - berechtigterweise, wie ich gerade vorhin erklärt bekommen habe.
Beim Essen haben sich zwei sehr weiße, wohlgenährte Damen aus Norddeutschland über die Vorzüge hier und die perfekte Organisation unterhalten. Wenn ich so reisen würde, wäre nach gut einer Woche mein Urlaubskonto leer - und auf sonderbare Heilige, die mir alles mögliche und unmögliche eintrichtern wollen, kann ich gut verzichten.
Einen tollen Mönch aus Tibet habe ich getroffen. Strahlend irgendwie und voll ansteckender Freude. Doch nach dem Besuch von mehr als 10 großen Pilgerorten der Hindus und Buddhisten in den vergangenen Jahren und den Erfahrungen mit der christlichen Kirche in Deutschland bin ich mehr denn je Atheist.
Genug gedacht für heute. Draußen brutzelt die Sonne. Ich werde noch etwas ruhen und dann sehen, dass die Weiterreise geplant wird. Heute Abend bin ich mit einem besonders kleinen, jungen Inder verabredet, der zwei Mal in Deutschland war und sic freut, wieder einmal etwas Deutsch reden zu können. Ich bin gespannt.
Doch niemals vergessen: In Indien ändert sich alles sehr schnell.
Stefan
Bodh Gaya, 4. März 2011
Hallo und Namaste, liebe Leute,
gestern war ich bei meinem kleinen "Deutschstudenten", mit dem ich am Abend verabredet war, zuhaus im Village. Da hat er wohl nicht nur Probleme, das Geld für sein College zusammenzubekommen, sondern scheint der gelehrte Sonderling der Familie zu sein. So Europabesuche können schon prägend sein und führen nicht selten zu sonderbarer Verwirrung, wie ich in Jaisalmer erfahren musste. Mohammed kann als einziger in der Sippe lesen und schreiben, bei 5 Brüdern und zwei Schwetsern ein recht kleiner Anteil familiärer Schulbildung. Er war zwei Mal in Deutschland und möchte unbedingt zurück. Hat fleißig gelernt. Für ein paar Wochen Sprachkurs ist er wirklich gut. Doch goras (fremde Weißhäute) können ja nicht alle Menschen dieser Welt retten, zumal mit einem Budget wie meinem. So hab ich ihn zum Essen eingeladen und gut.
Heute war ich früh auf, bin durch das angrenzende Hüttengewirr gestapft und habe die Felder genossen. Einen Kingfishervogel habe ich beobachten können, viele kleine Piepmätze und das allgegenwärtige Vieh. Der Himmel war voller Gewitterwolken, die Luft schwer und drückend.
Montag fahre ich nach Patna und dann auf dem schnellsten Weg nach Nepal. Das ist alles etwas kompliziert mit den Tickets, doch den Reiseunternehmen hier traue ich nicht viel zu. Also allein weitersuchen, wenn ich nicht zig Stunden im Seelenverkäufer kauern möchte und einen Tag in dem Moloch verbringen. Wir nähern uns hier tagsüber der 35°-Marke. Staubig ist es, könnten auch Gewitter kommen. Ich hoffe, die Straßen bleiben passierbar, was hier in Bihar und in Nepal ein ziemliches Problem ist und auch nicht ungefährlich.
Unten im kleinen Krishnatempel spielen die Kinder, die Frauen singen, die Ziegen tollen dort herum und draußen vor meinem Guestthouse tobt der Verkehr durch aufsteigende Staubwolken. Durch Gitter schaue ich auf den sonnenbeschienenen burmesischen Tempel, während vor mir auf den Zweigen die Kolibris herumhüpfen. Die Kinder spielen ausgelassen, denn jetzt naht das Wochenend.
Morgen ist tibetisches Neujahr mit großem Gewese in ihrem Tempel, mal schauen. Viele von ihnen leben hier, angenehme, geschäftstüchtige Familien, die wunderbar kochen und mit einer ganz besonderen Art Humor und Freundlichkeit gesegnet sind. Ich habe weiter nach Preisen recherchiert, bin tief in die Verstrickungen indischer Psyche und völlig abwesendem Zukunftsblick (außer bei den gehobenen Kasten) eingedrungen und erfreue miuch bester Laune und Gesundheit.
Zum Frühstück habe ich Litis gegessen, warme Brotbällchen (wie unser Graubrot, nur fester und gerade vom Holzgrill), in die Zwiebeln, Knoblauch und etwas Chili eingebacken sind - mit Spinat, gekochtem Gemüse und einer Art Kartoffelsalat. Sehr lecker diese Empfehlung und mein erstes Essen an der Straße.
Stefan
Bodh Gaya, 5. März 2011
Ouhh, namaste,
war das wieder ein Akt mit dem Internet. Was sich Internetcafé nennt, ist ein Keller. Ich mag ihn, weil ich da meist allein bin. Es ist schön ruhig nach dem täglichen Trubel. Junge Ratten huschen über die Computer, bleiben hocken, machen "Männchen" und sind wieder weg. Es gibt zwei Fenster, durch die sie hereinkommen. Immer bei Stromausfall scheint die Meute Mut zu bekommen. Und gestern war es so schlimm (mit den Stromausfällen,nicht mit den Ratten), dass ich aufgehört habe.
Nachmittags war ich im nunmehr ausgetrockneten Flussbett. Nichts war zu hören außer entferntem Motorengeräusch und dem Wind in den Ohren. Dort habe ich mit ein paar Jungs erste Kricketschlag- und wurfversuche gemacht. Ging so ganz gut. Und als ich schon ein paar hundert Meter weiter durch den Sand stapfte, kamen zwei hinterher gerannt, hatten den Ball verschossen oder -schlagen. Na ja, sie konnten sich dann jedenfalls zwei neue kaufen. Die Kuhhirtin kam auf meinem Rückweg vorbei, hat gezetert und wollte Geld, weil ich sie fotografiert hatte, na ja und nix da. Die hätte man bei uns im Mittelalter verbrannt, dachte ich nur und ein Inder lachte, als ich sie zurückgescheucht habe.
Ich habe dann noch eine Weile mit dem Koreaner aus Prag, der mit seinen beiden Söhnen (3) monatelang durchAsien/ Indien tourt, geredet. Die beiden Jungs gefallen mir sehr. Man merkt, wie frühes, weites Reisen in andere Kulturkreise den Horizont der Kleinen erweitert und wie sicher sie auf die einen Menschen zugehen, die anderen meiden oder ablehnen. Diese Erfahrungen wünsche ich jedem Kind.
Allein schon die Zuwendung, die sie von den Indern und den Mönchen, wie immer die auch sein mögen, bekommen, es ist unfassbar. Für die indischen Kinder sind die beiden von größtem Interesse, so, als ob sie die doch recht bleichen Knirpse sofort mit zum Spielen nehmen wollten. In den nächsten Tagen werden sie die Toten in Varanasi brennen sehen. Papa hat etwas Schiss, verständlich, denn auch jeder Krüppel hier - und davon gibt es Dutzende - wird von den Jungs sehr genau beobachtet. Doch das geht sicher gut in der besonderen Athmosphäre dieser unvergleichlichen Stadt. Die Jungs halten sich mit Vorliebe am Rand der Menschenmassen auf, die sie sehr genau beobachten, wie Neele, die auch immer gern mit uns in Caybuden gesessen hat, um die Menschen zu beobachten. Doch Indien ist für Kinder wie Erwachsene verdammt hart zu nehmen. Thailand, Korea, Vietnam, Nepal, ... sind da weitaus einfacher zu verdauen.
Draußen waren abertausende Mücken unterwegs, sobald man zu den unzähligen Tümpeln kam, doch hier im Zimmer herrscht annähernde Mückenfreiheit. Nachher und morgen ist es sicher zum Bersten voll im Haupttempel. Ich weiß noch nicht, ob ich zum tibetischen Neujahrsfest gehe und morgen findet japanischer Klamauk statt. An der Festwiese mit pinkfarbenen Baldachinen bauen sie schon die ganze Woche, und erste furchbare Soundchecks habe ich bereits mit anhören müssen, doch ich freue mich schon auf den Morgenspaziergang, Tee unterm Bodhibaum und anregenden Geschichten von meinem Mönch.
Es ist ein dunstiger Morgen. Selbst die Kuh im kleinen Village steht unter ihrem Verschlag und käut geduldig wieder. Gestern habe ich ein paar Schritte weiter ein Kalb beobachtet, das mit einem jungen Zicklein innige Freundschaft pflegte, indem es das Böckchen ableckte und von Schmutz befreite. Ein schwarzweiße Hund streicht um meine Beine und folgt mir, bis ich sein Revier verlasse. Überall stehen zähneputzende Kinder am Straßenrand, grüßen mich freundlich und putzen dann eifrig weiter.
Über den Feldern liegt Dunst, den die aufsteigende Sonne nur langsam verdampfen lässt. Kleine Motorrikschas voll mit Schulkindern in weißen Uniformen fahren über die nahe gelegene Straße. Die Großen fahren mit bis zu dreien auf Fahrrädern zur Schule oder laufen. Inmitten von Senföl-, Weizen und Reisfeldern, über deren Dämme ich gehe, stehen kleine Häuser aus rotem Backstein. Davor fachen Männer Feuer an, Frauen bereiten dann das Frühstück.
Ich trinke Tee mit dem Mönch, lade ihn dann zum Frühstück ein, weitab von den Massen, den Straßen voller eifriger Pilger. Nun ist die Mittagshitze da. Ich nutze die Zeit mich auszuruhen, ...
Stefan