Gertrud M. Lettau

Gertrud M. Lettau
Frauensolidarität suspekt!
Stokowski gegen Precht und Flaßpöhler

Ich beziehe mich auf eine Kolumne vom 30.11.2021: "Precht und Flaßpöhler. Lasst die Philosophie da raus" von Frau Margarete Stokowski, in dem sie eine Kritik an Richard David Precht und Svenja Flaßpöhler äußert hinsichtlich deren - in Zweifel gezogenen - Kompetenz die Philosophie betreffend. Sie spricht letztlich beiden eine Philosophiekompetenz ab. Nachzulesen unter spiegel.de. Ein Kommentar zu diesem Artikel lautet folgendermaßen:

„Ich bin nahezu sprachlos: ist die von Frau Stokowski gewählte Form und dessen Inhalt der Alternativvorschlag, um bessere gesellschaftliche Diskurse zu führen? Es wirkt fast eher so, als wäre da noch eine Rechnung offen.“

Es tut mir leid, aber genau diesen Eindruck hatte ich auch. Ich schätze Frau Stokowski wegen ihrer offenen, direkten, intellektuell entlarvenden Positionierung sehr, aber mit dieser ihrer Kritik an den beiden hochpopulären „Vorzeige-Philosophen“ hat sie sich keinen Gefallen getan und der Sache, für die sie eintritt, auch nicht. Warum nicht? Erstens, wenn es so wäre, dass beide keine ernstzunehmenden Philosophen sind, könnte man es auch ignorieren. Zweitens, wenn es persönlich nicht zu ignorieren ist, sollte man/Frau nicht unter der Gürtellinie zuschlagen, sondern stichhaltige Argumente haben, für die These, dass es sich bei den Ausführungen beider nicht um Philosophie handelt, um sich in Differenz zu beiden positionieren zu können. Stattdessen macht sie Vorschläge für angeblich philosophisch wichtigere Fragen, als die (nicht) gestellten. So schreibt Stokowski:

„Es gäbe so viele Fragen, die man in einer Pandemie aus philosophischer Sicht erörtern könnte: Was ist eigentlich Verantwortung? Was ist Solidarität? Welche Arten von Freiheit stehen möglicherweise im Konflikt miteinander? Wie handelt man, wenn man Entscheidungen treffen muss, aber nicht genug Wissen über die Situation hat? Wie entstehen politische Kollektive? Wie viel vom Sozialen lässt sich ins Digitale übertragen? Was sind die Aufgaben des Staates in Notsituationen? Und wie hält man es aus, dass Menschen sterben?“

Diese Fragen sind nicht unbedingt philosophisch konnotiert, sie könnten auch von politisch-ethischer, soziologischer, sozioökonomischer, technologischer und psychologischer Observanz sein. Statt sich also wirklich abzusetzen von den zugegebenermaßen manchmal populistisch wirkenden Diskussionen, (wie anders sollte man/frau auch sonst einen solchen Erfolg haben?) wäre eine knallharte Differenz vonnöten gewesen.
Die konnte Margarethe Stokowski leider nicht bieten, obwohl es vielleicht möglich gewesen wäre. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Von daher würde ich auch dazu tendieren, dass das Ganze eher so wirkt, als sei da „noch eine Rechnung offen“.
Und genau an der Stelle wird für mich wieder einmal offenbar, dass es Frauensolidarität so - wie sie oft propagiert wird - gar nicht möglich ist, was ja selbst mein Beitrag jetzt auch bestätigt. Daher ist es für mich von fundamentaler Bedeutung, dass die Frauenemanzipationsbestrebungen endlich dahin kommen, wo ja auch Mütter von Söhnen ganz privat und familiär geprägt schon immer waren, den Mann weder als Feind, noch als idealisierte Überlegenheit zu sehen. Aus einem einfachen Grund nicht: weil diese Front mit jeder Frau, die den Mann glaubt, zu lieben, zu bewundern oder Anerkennung durch ihn zu bekommen, durchbrochen wird. Und dann darf man sich nicht wundern, wenn Frau sich durch und durch verraten und verkauft fühlt.

Um das zu verhindern, sollte innerhalb der Emanzipationsbewegung weniger die Frauensolidarität im Vordergrund stehen, weil es diese letztlich wie schon erwähnt, auch gar nicht gibt, als vielmehr eine Philosophie des Begehrens der Geschlechter. Diese ist meines Erachtens nur möglich, wenn das Nachdenken über die Unterschiede der gesellschaftlich und Begehrens-ökonomisch relevanten Differenzierung der Geschlechter ohne Beschuldigungen und Ausschluss des männlichen Geschlechts erfolgen kann. Wie also kann ich mein Begehren, meine Liebe zu dem anderen Geschlecht retten ohne die berechtigten Interessen der Frauen an der sozialen Gleichberechtigung und politischen Teilhabe zu vernachlässigen? Das sind für mich ausschlaggebende Fragen und Themen, die ich auch weiterhin dann verfolgen werde, wenn inzwischen davon die Rede ist, dass es wesentlich mehr Geschlechter gibt als zwei. Das ist deswegen hinlänglich wahr, weil jede Differenz, auch die der Geschlechter an den Rändern der Unterscheidung eine unendliche Vielfalt an Begehrens - und Identitätsmustern repräsentiert. Damit ist aber die Differenz von weiblich und männlich nicht abgeschafft, was auch nicht erstrebenswert wäre, sondern lediglich und eigentlich definiert.