Gertrud M. Lettau

Gertrud M. Lettau
Nicht die Hoffnung stirbt zuletzt, sondern die Dummheit

"Russland und Deutschland stehen sich so nah wie noch nie in ihrer Geschichte". 17 Jahre ist es her, dass Wladimir Putin diesen Satz gesagt hat - begleitet von einer symbolischen Einladung: Der spätere Kreml-Lobbyist Gerhard Schröder durfte 2005 als erster deutscher Regierungschef an der Gedenkfeier zum Sieg über Hitlerdeutschland teilnehmen. Doch spätestens seit der Annexion der Krim und dem Donbass-Krieg 2014 verwandelte sich die Ostpolitik in eine "Frostpolitik", mit der Zäsur am 24. Februar dieses Jahres, als Russland die Ukraine überfiel. [1]

Gestehen muss ich, dass ich mich nie für Politik interessiert habe aus verschiedenen Gründen nicht, die ich hier nicht weiter darlegen möchte, die aber leicht nachvollziehbar sind. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass dies sehr vielen Frauen so geht. „Politik ist eben Männersache“, so hieß es immer und das ist tatsächlich so bis Anna Lena kam, die gegen den Einspruch von Herrn Friedrich Merz (warum wohl?) einmal die Situation der (massen-)vergewaltigten Frauen im Krieg zum Thema macht, was meines Erachtens dringend nötig ist.

Aber in der letzten Zeit, seit ich nicht verstanden habe, dass Putin tatsächlich die Ukraine überfällt und nichts aber auch gar nichts vorher in den offiziellen Nachrichten darauf wirklich hingewiesen hat, bin ich wach geworden und habe mich mal ein wenig auch historisch kundig gemacht. Es ist unvorstellbar, dass all die professionellen Berater nicht darauf haben kommen können, was Putin wirklich will, ja wollen könnte. Es scheint Methode zu haben, dass alle Dinge wunderbar zusammenpassen und ineinander greifen in dieser Verdummungsmaschinerie. Solange man Unverständnis mimt und vollkommen naiv fragt: „was will Putin eigentlich?“ können eine Menge an Sendungen darüber gemacht werden und der Rubel kann rollen. Und langsam wird mir klar, wie die Aggression des Wladimir Wladimirowitsch Putin immer mehr anwachsen musste. Alle Aspekte, die inzwischen zusamengetragen wurden, bringen diese Zusammenhänge nicht zum Ausdruck! Aber wer geopolitisch und genealogisch - im Sinne von Genesis und Geltung - denken kann, wird auf allen Ebenen erkennen müssen, was Putin meines Erachtens zu Recht erwartet hat. Und ich denke, dass das auch von Angela Merkel und anderen gesehen wurde. Aber was hätte sie tun können?

Eingebettet in die Europäische Union und integriert in die Nato hat Deutschland keine Möglichkeit gesehen, Putin und sein Land als wirkliche Partner anzuerkennen. Dass diese Situation dazu führen musste, dass Putin sich bedroht fühlt, ist auch nachvollziehbar. Und so lange Schauspieler und Boxer (so sympathisch ich sie auch finde) an politisch vorderster Front ein westlich orientiertes Interesse verfolgen, was ja für sie selber nachvollziehbar ist, aber in letzter Konsequenz Krieg bedeutet und deswegen nicht hinnehmbar ist, kann es keinen Frieden geben.

Und man muss sich ja mal nur kurz in Putins Lage versetzen. Dann wird klar, dass er am ausgestreckten Arm des Westens verhungern musste und immer mehr seines einstmals großen Reiches beraubt wurde, eine Art Amputation Stück für Stück. Er wurde beschnitten und kastriert und dagegen setzte er seine Pipelines, die die Verbindung zum Westen garantieren hätten können, Nord Stream 1 und 2. Hat aber alles nichts genutzt scheinbar. Es kommt mir vor, wie eine sukzessive Kastration Russlands, das als Reaktion auf die Beschneidung ein kompensatorisches Angebot technisch hochattraktiver künstlicher Strangverlängerung mit Versorgungsgarantie installiert, die Pipelines. Wie ein Kind, das den Arm ausstreckt nach seiner Mutter, die aber mit ihrem Geliebten feiert und ihr Kind verhungern lässt. Oder auch wie ein Mann, der seine nicht gewünschte Kastration umwandelt in einen kulturell anerkannten, künstlich prothetischen Ersatz für die abgetrennten Teile. Wenn das alles aber nicht reicht um eine solide Verbindung zu Deutschland und Europa herzustellen, was ist dann noch möglich? Was macht jemand, der noch nicht aufgeben will in so einem Fall? Er suizidiert sich selber oder/und er wendet sich an einen anderen potentiellen Retter in der Not. Wer könnte das sein? Was liegt denn geopolitisch in der Nähe und hat zusätzlich noch Potential nach oben? China wäre da sicher eine Option.

Hier muss ich nun wirklich nicht weiter denken, das schafft jeder und jede, wenn Interesse besteht, sicher allein. Aber der Bruderkrieg könnte mit diesem Wissen mit Sicherheit endlich ein friedliches Ende finden. Alles andere ist Verhandlungssache. Viel Glück für den Sieg gegen die Dummheit!


Anmerkung

[1] Deutsch-russische Beziehungen "Man hätte Putin wörtlich nehmen müssen", in: n-tv Politik, 27.03.2022, 11:48 Uhr, https://www.n-tv.de/politik/Man-haette-Putin-woertlich-nehmen-muessen-article23223441.html